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Kultur: Stetig gereift

Bei einem solchen Liederabend ist es um die Anfangsstücke doch ein wenig schade.Denn wenn im Verlauf des Konzerts die Stimme immer geschmeidiger wird und schließlich in vollem Saft steht, stellt die zweite Programmhälfte zwangsläufig die erste in den Schatten.

Bei einem solchen Liederabend ist es um die Anfangsstücke doch ein wenig schade.Denn wenn im Verlauf des Konzerts die Stimme immer geschmeidiger wird und schließlich in vollem Saft steht, stellt die zweite Programmhälfte zwangsläufig die erste in den Schatten.So hätte Barbara Bonney am Schluß ihres Recitals im Kammermusiksaal gern noch einmal mit Schumanns "Frauenliebe und -leben" beginnen können, das zu Anfang recht vorsichtig ausgefallen war.Denn die stimmliche Reife für den Zyklus besitzt sie inzwischen, ist über die kecken Zofen- und Jungmädchenrollen hinausgewachsen.Und doch singt da kein lyrischer Sopran mit mütterlich warmem Timbre, sondern eine junge Frau erzählt von ihrem zerbrochenen Liebes- und Eheglück.Das macht sie mit schönen, zärtlichen piano-Tönen, ohne diese Seelenbilder-Schnappschüsse unter eine Fieberkurve zu zwingen.Doch dazu hätte es einen anfeuernden Begleiter am Klavier gebraucht - von Vladimir Ashkenazy gehen leider keinerlei Impulse aus.Über weite Strecken wirkt sein Spiel wie vom Blatt gelesen, statt dramatische Akzente zu setzen, ebnet er seinen Part mit pauschalem Pedalgebrauch weitgehend ein.Ein Manko, unter dem besonders der Schumann-Zyklus und die anschließenden Brahms-Lieder leiden.Obwohl Bonney hier schon mehr aus sich herausgeht, den romantischen Miniaturen kräftige Farben verleiht.In der kleinen Brahms-Gruppe prüft sie zugleich, ob das Stimmeis für die skandinavischen Lieder nach der Pause trägt: Die Tiefenregionen werden schon einmal vorsichtig angetippt, die Expansionskraft der Stimme geprüft.Bei Sibelius und Grieg ist dann zu hören, wie Bonney letzthin an Stimm- und Gestaltungsformat gewonnen hat.Da versprüht sie eben noch rustikalen Charme, um gleich darauf leuchtende Bögen von feiner Melancholie zu schlagen.Da lotet sie das tiefe Seelenleid eines finnischen Bauernmädchens ganz schlicht und unmanieriert aus und wird gleich darauf mitreißend in schwärmerischen Liebesjubel ausbrechen.Schöner kann man sich Liedgesang kaum wünschen.

JÖRG KÖNIGSDORF

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