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Jede Linse ist wie eine offene Mündung. Arrangement von Steven Pippin.

© BKP

Steven Pippins Installationskunst: Gut angelegt ist halb geschossen

Der Brite Steven Pippinin der daad-Galerie.

Promis fühlen sich zur Jagd freigegeben. Und manch indigene Kultur glaubt noch heute, dass ihnen beim Fotografieren die Seele geraubt wird. Bilder machen kann ein aggressiver Akt sein. Oder woher kommt sonst der Ausdruck „ein Foto schießen“? Auch im Englischen spricht man von Shooting. Der britische Künstler Steven Pippin hat das wörtlich genommen. In der daad-Galerie, 1997 war er Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms, sind seine Experimente mit analogen Fotoapparaten und Pistolen nun ausgestellt.

Es gibt verschiedene Versuchsanordnungen: So hat Pippin etwa in großformatigen 10x8-Kameragehäusen eine Schusswaffe installiert, die beim Drücken des Auslösers aus einem kleinen Loch im Objektiv herausgeschossen kommt. Auf den brillanten Abzügen, diesen abstrakten Schönheiten, ist zum Teil sogar die fliegende Patrone zu erkennen. Manchmal hat die Kamera aber auch nur die Rauchwolke erfasst, dann wabert sphärisch ein Nebelschatten durch die Komposition, die ja immer auch Zufall ist.

In einer anderen Anordnung schießt der 1960 geborene Künstler in den Apparat hinein. Die Munition zerfetzt das Negativ, und auf den Abzügen zeichnen sich zarte Gespinste ab, kristallene Sternchen und psychedelische Strahlenkränze, die durch die Hitze und chemische Reaktionen entstanden sind. Manchmal stellte der Engländer auch einen Spiegel auf, so dass das Bild eigentlich das Abbild des Spiegelbildes ist, schemenhaft ist die Hand des Fotografen am Abzug zu erkennen – eine weitere, wunderbar verquere Wendung in diesem vermeintlich simplen Spiel.

Seit den achtziger Jahren beschäftigt sich Pippin mit Fotografie. Früher experimentierte er mit einfachen Lochkameras, baute Waschmaschinen und andere technische Geräte zu Fotoapparaten um. 1999 wurde er für den Turner Prize nominiert, Großbritanniens wichtigste Auszeichnung für zeitgenössische Künstler. In der daad-Ausstellung „In Camera“ beschäftigt sich Pippin in Reinform mit dem Medium.

Die Bilder, die der Betrachter hier an der Wand sieht, sind die letzten Aufnahmen eines Geräts, bevor es für immer nutzlos wird. Damit blockiert der Künstler jäh die Idee des Seriellen von Fotografie. Jedes Bild bedeutet das Einfrieren eines Moments, Stillstand. Die von Steven Pippin ganz besonders. Anna Pataczek

daad-Galerie, Zimmerstraße 90, bis 10.5., Mo–So 11–18 Uhr

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