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Erfolgsregisseur. Steven Spielberg, 64, hat bislang 28 Filme inszeniert. Foto: AFP

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Steven Spielberg: "Tim ist immer zeitgemäß"

Steven Spielberg über Forscherdrang, Nasenformen, Gespräche mit Hergé und die Zukunft des Kinos.

Mr. Spielberg, bisher sind Sie zu der Welle der Comic-3-D-Verfilmungen auf Abstand geblieben. Warum nun „Tim und Struppi“?

Ich wollte „Tim und Struppi“ schon 1983 verfilmen. Damals beriet ich mich mit Hergé darüber, wie man seine Comics auf die Leinwand bringen könnte. Das war lange, bevor Comic-Helden in Hollywood eine feste Größe wurden. Ich mochte die Art, wie diese Comics mit der Realität umgingen. „Tim und Struppi“ war immer sehr zeitgemäß und wirkt noch heute vollkommen gegenwärtig.

Worin unterscheidet sich Tim von den gewöhnlichen Superhelden?

Durch seinen Forschungsdrang und seine Hartnäckigkeit. Tim wirkt wie ein Pfadfinder, der von exzentrischen Charakteren wie Kapitän Haddock oder den Detektiven Schulze & Schultze umzingelt ist. Ohne Spezialeffekte und Superheldenfähigkeiten liegt Tims Kraft in seiner Persönlichkeit. Oder auch: in dem Mangel an einer eigenen Persönlichkeit. Denn er ist allein mit seiner Arbeit verheiratet.

Warum haben Sie den Film im komplizierten Motion-Capture-Verfahren gedreht, bei dem Stimme, Mimik und Bewegung der Schauspieler in den Computer eingespeist und mit den digital entworfenen Comicwesen zusammengerechnet werden?

Wir wollten bewusst eine eigene filmische Kunstform entwickeln, die Hergés zeichnerischer Kunst gerecht wird. Ich konnte mir nicht vorstellen, die Schauspieler mit irgendwelchen Gesichtsprothesen auszustatten, um ihr Aussehen den Comicfiguren anzupassen. Mit dem Motion-Capture-Verfahren blieben wir so nahe wie möglich an der Comicvorlage und haben nur den Fotorealismus in einen Hyperrealismus überzeichnet. Die schauspielerischen Darstellungen, die Straßen, der Himmel, das Wasser – alles sollte echter als echt aussehen.

Besonders imposant ist das Arsenal der riesigen Nasen. Hatten Sie bei der Produktion eine eigene Nasen-Abteilung?

Nein, auch da haben wir uns von Hergé leiten lassen. Bei ihm ähnelt, anders als bei vielen Comiczeichnern, keine Figur der anderen. Jede Figur hat bei Hergé ihre eigene Nasen-, Kinn- und Gesichtskreation.

Sie waren immer ein Verfechter der Arbeit mit traditionellem Filmmaterial …

… das bin ich immer noch ...

… aber nun haben Sie erstmals komplett digital gedreht und geschnitten. Der Abschied von den Filmstreifen dürfte Ihnen schwer gefallen sein.

Damit habe ich mich einfach abgefunden. Wenn ich mit einer bestimmten Technologie eine Figur besser entwickeln oder eine bestimmte Authentizität herstellen kann, dann ist das für mich völlig in Ordnung. Ja, ich habe jahrelang sehnsüchtig auf die Technologie gewartet, mit der ich „Tim und Struppi“ so machen konnte, wie ich es mir vorstelle.

Dennoch scheint in „Tim und Struppi“ bei aller Hochtechnologie eine gewisse Nostalgie mitzuschwingen.

Auf jeden Fall. Auch genieße ich, je mehr die elektronische Welt die Kontrolle über unser Leben übernimmt, desto mehr die einfachen Freuden des Lebens. Anstatt zu googeln, gehe ich manchmal lieber in eine Bibliothek, um etwas nachzuschlagen – genau wie Tim im Film. Früher hat man die Beine und nicht nur die Finger bewegt, wenn man Antworten suchte.

Nach der digitalen Revolution folgt derzeit die 3-D-Aufrüstung in den Multiplexen. Wie sieht die Kinokultur in 20 Jahren aus?

Vor 50 Jahren hätte ich solche Prognosen vielleicht noch treffen können. Aber heute wage ich so etwas nicht mehr – angesichts des rasanten technologischen Fortschritts und der gravierenden Auswirkungen, die diese Entwicklungen auf die Gesellschaft haben. Das ist jenseits unserer Vorstellungskraft.

Das Gespräch führte Martin Schwickert

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