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Kultur: Stinkefinger

Juli Zeh über ihre Klage gegen biometrische Pässe

Frau Zeh, gut zwei Jahre nach Einführung des biometrischen Reisepasses haben Sie Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Warum erst jetzt?

Aus juristischen Gründen war es nicht möglich, gegen die ePässe zu klagen, bevor sie nicht von den Behörden ausgegeben wurden. Dies ist erst seit Ende letzten Jahres der Fall.

Was ist schlimm an einem Fingerabdruck?

Ein Fingerabdruck ist mit starken Konnotationen behaftet: Er wird Menschen abgenommen, die eines schweren Verbrechens verdächtig sind. Es ist eine demütigende Geste seitens des Staates, unbescholtene Bürger zur Abgabe so intimer, physischer Daten zu zwingen. Und die Missbrauchgefahr ist extrem hoch.

Der biometrische Pass soll im Kampf gegen organisiertes Verbrechen helfen – ist da ein Fingerabdruck zu viel verlangt?

Die Bundesregierung war nicht in der Lage zu begründen, auf welche Weise die neuen ePässe bei der Terrorbekämpfung helfen sollen. Die alten Pässe waren absolut fälschungssicher, und es gab bislang keinen einzigen Fall eines terroristischen Verbrechens, bei dem ein gefälschter Pass eine Rolle spielte. Deshalb ist das Mittel „Fingerabdruck“ absolut ungeeignet.

In Ihrer Verfassungsklage werfen Sie dem damaligen Innenminister Otto Schily Befangenheit wegen wirtschaftlicher Interessen vor.

Otto Schily ist nach dem Ausscheiden aus seinem Amt in den Vorstand einer Firma eingetreten, die Systeme herstellt, die man zum Auslesen von biometrischen Pässen braucht. Er hat auch Anteile erworben an einer anderen Firma, die Hard- und Software für elektronische Pässe produziert. Es ist nicht sehr schwierig, hier einen Zusammenhang zu vermuten.

Sie haben Jura studiert und veröffentlichen gesellschaftskritische Essays in Zeitungen und Magazinen. Warum ist Ihnen dieses Engagement wichtig?

Ich finde es normal, dass man als politisch denkender Mensch gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und sich mit den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen, für seine Ziele engagiert. Ohne bürgerliches Engagement ist eine Demokratie nicht denkbar.

– Die Fragen stellte Katja Reimann.

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