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Kultur: Stolz und Würde

Fotos aus „Afro-Brasil“ in der ifa-Galerie.

Der Begriff Afrobrasilianer wird von der schwarzen Bevölkerung Brasiliens eher selten verwendet. Als Titel der aktuellen Fotoausstellung in der ifa-Galerie eignet er sich umso besser, soll hier doch die Brücke zwischen zwei Kulturen geschlagen werden: „Afro-Brasil – Porträtfotografie in Brasilien 1869/2013“ gibt in zeitgenössischen und historischen Porträts einen Einblick in die Migrationsgeschichte Brasiliens, insbesondere die erzwungene Migration afrikanischer Sklaven.

Kernstück der Ausstellung sind die Fotografien eines europäischen Einwanderers, des 1822 in Berlin geborenen Alberto Henschel, der nach Brasilien übersiedelte und dort Fotostudios gründete. Henschel hielt nicht nur Landschaften und das Geschehen am Hofe Dom Pedro II. fest, sondern porträtierte auch die schwarze Bevölkerung, ehemalige Sklaven oder frei Geborene. Die bezahlten ihre Fotos aus eigener Tasche. Henschel zeigt sie ohne Wertung und Betonung des Exotischen. Die Gesichter blicken stolz oder mit stoischer Ruhe in die Ferne.

Kurator Marcelo Cardoso Gama sieht in diesen Werken die Würde der Abgebildeten festgehalten. Im Brasilien des 19. Jahrhunderts, in dem bis 1888 zumindest inoffiziell Sklavenhandel betrieben wurde, war dies keine Selbstverständlichkeit. „Wir sind nicht darüber hinweg“, sagt im Nebenraum eine Stimme auf Portugiesisch. Ergänzend zu Henschels Fotos läuft hier eine Diashow mit Porträts und Audiozitaten von Schwarzen im Brasilien von heute.

Der Gegenwart der afrobrasilianischen Minderheit widmen sich auch zwei zeitgenössische Fotografen. Luciana Gama begleitete die Prozession in einer katholischen Gemeinde. Ihre Fotos sind auffallend platziert, schleierverhangen und frei hängend im Raum. Die Symbolik erschließt sich nicht sofort: Die Schleier sind, ebenso wie das Himmelblau der Wände in der Ausstellung, aus dem Umfeld der Kirchengemeinde entlehnt.

Die Werke von Eustáquio Neves sind stilistisch am eindrucksvollsten. Neves entfremdete Fotos von Modellen, die mit nacktem Oberkörper posierten, zerkratzte die Negative mit den Fingernägeln, fügte Ausschnitte mit gedruckten Lettern hinzu und malte römische Jahreszahlen oder einen Barcode auf die Bilder. Allerdings ist Neves mit nur drei großformatigen Bildern aus der Serie „Objektivierung des Körpers“ vertreten, die im Raum etwas verloren wirken. Das ist schade, zumal er der einzige afrobrasilianische Künstler der Ausstellung ist. Philipp Sickmann

ifa-Galerie, Linienstraße 139/140, bis 30. März; Di bis So 14–18 Uhr,

Philipp Sickmann

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