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Kultur: Stramme Strapse

Museen in Wien und Linz zeigen die Körperkunst von Valie Export

Schon mal ein Rendezvous mit einer Stimmritze gehabt? Im Wiener Belvedere wird zurzeit der Traum jedes Surrealisten wahr. Die lebensgroße Glottis spricht: mit der Stimme von Valie Export. Und das im barocken Marmorsaal des Wiener Unteren Belvedere mit Blick auf den Garten. Die historischen Skulpturen rundum scheinen das an eine Vagina erinnernde Sprachwerkzeug mit Staunen zu fixieren. Fleischlich rot leuchtet das Organ, das bei beiden Geschlechtern gleich aussieht, von gestapelten Monitoren herunter. Es ist der Ursprung der Stimme, wo Wünsche und Beschwerden geäußert werden, die Frauen lange verwehrt wurden. Die für die Biennale von Venedig 2007 entworfene Arbeit „Glottis“ gewinnt durch die Konfrontation mit dem Ambiente an Kraft. Der Prachtbau eignet sich perfekt als Stimulanz für die Besichtigung eines Oeuvres, das der weiblichen Passivität den Krieg erklärt hat.

Die Rückeroberung von Mitsprache begann bei der heute 70-jährigen Wienerin bereits 1967 mit der Wahl ihres Künstlernamens. Der Schriftzug Export zeigte damals Signalwirkung und versprach den Willen zur Erforschung von Neuland. Die Künstlerin reagierte fortan mit Filmen auf Performances, verdichtete Skulpturen zu Rauminstallationen und setzte immer wieder den eigenen Körper als Mittel ein, etwa beim Griff nach einer Hochspannungsleitung. Diese symbolische Geste hielt Valie Export in ihrem Film „Menschenfrauen (1979) fest. Schnelle, die Hände fokussierende Schnitte lenken die Aufmerksamkeit auf die Macht der pulsierenden Elektronen. Am Boden fällt der Blick auf Fotos von verbrannten Körpern, die den Kampf gegen den Wärme spendenden, aber auch tödlichen Strom verloren haben.

Ihren eigenen ersten Kampf trat die Pionierin der Medienkunst indes gegen die männlich dominierten Wiener Aktionisten an. Auf deren Missachtung reagierte sie mit Skandalaktionen wie „Aktionshose: Genitalpanik“ oder „Tapp- und Tastkino“. Vierzig Jahre später sind es feministische Klassiker. Sie werden von den Ausstellungsmachern gerne eingesetzt, um auf den überall im Wiener Stadtbild präsenten Plakaten die Neugierde von Voyeuren zu wecken. Im Belvedere selbst werden die Arbeiten allerdings nur als charmante Fußnote präsentiert. Die Doppel-Retrospektive im Wiener Belvedere und im Linzer Lentos-Kunstmuseum ergänzt sich vorbildlich. Zugleich kann jede Ausstellung für sich besichtigt werden. Beide legen den Schwerpunkt auf die vergangenen zwanzig Jahre und stellen die Stringenz heraus, mit der Valie Export ihre Themen verfolgt, variiert und im neuen Kontext weiterentwickelt. In Linz dominieren Textarbeiten und Medienräume, die den Betrachter einbeziehen, während in Wien die großen Installationen und seriellen Arbeiten überwiegen. Die große offene Bühne des Lentos überzeugt. Hier bekommt Valie Exports spielerischer Umgang mit Medien und Materialien aller Art den nötigen Raum. Im Unteren Belvedere prägt ein Werk jeweils einen historischen Raum. Statt chronologisch angeordnet, werden wiederkehrende Motivfelder vorgestellt. Freud lässt grüßen, wenn ein Bett inmitten von Glasscherben zwischen zwei Fotografien steht, auf denen die Schlittschuhe tragende Künstlerin im Schlaf zu sehen ist. Verletzlich sieht sie aus, gefesselt an ein Leben, aus dem scheinbar nur Autoaggression Erlösung verspricht. Das Sujet scheint auch in Zeichnungen wieder auf, die an die Wand genagelte Hände zeigen.

Kein Wunder, dass nebenan die Nähmaschinennadeln monoton und zugleich bedrohlich rattern. „Die un-endliche/-ähnliche Melodie der Stränge“ (1998) erzählt auf 45 Monitoren so eindringlich die globale Geschichte von Frauenarbeit in der Massenproduktion, dass der Ausstellungsbesucher geradezu Zuflucht bei Exports provokativer Körperkunst sucht, etwa der „Body Sign Action“ von1970. Wäre da nur nicht die Tätowierung eines Strumpfbandes, die das Terrain längst besetzt hat und bis heute den Oberschenkel der Künstlerin ziert.

Valie Export war noch nie bange. So spielt sie auch mit der martialischen Wirkung ihrer multimedialen Installation „Kalaschnikow“, die 2007 für die Moskauer Biennale entstand. 109 Sturmgewehre türmen sich in einer mit Öl gefüllten Wanne zur Pyramide. An den Wänden schockieren über das Internet bezogene Filmaufnahmen von Erschießungen in China oder Kriegsangriffen im Irak. Mit der allzu deutlichen Metaphorik erreicht die Künstlerin zwar nicht ihre frühere Radikalität, doch sie bleibt ihrem Anspruch treu, mit Kunst politische Missstände anzuprangern.

Unteres Belvedere, Wien, Lentos Kunstmuseum, Linz, bis 30. 1.; Katalog 39,80 €.

Alexandra Wach

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