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Kultur: Straße des 2. Juni

Von Peter Laudenbach Wenn man nicht mehr miteinander sprechen kann, weil es keine gemeinsame Sprache mehr gibt oder man nicht mehr zuhören will, sind nur noch Monologe möglich. Die Kommunikation ist blockiert.

Von Peter Laudenbach

Wenn man nicht mehr miteinander sprechen kann, weil es keine gemeinsame Sprache mehr gibt oder man nicht mehr zuhören will, sind nur noch Monologe möglich. Die Kommunikation ist blockiert. Jeder ist in seine eigene Wahrheit, seine Geschichte eingeschlossen. Andreas Dresen hat für sein Berliner Theaterdebüt in den Kammerspielen des Deutschen Theaters sechs Monologe aneinander montiert, sechs Selbstgespräche, die er „Stadtguerilla-Monologe“ nennt.

Dresens Stück „Zeugenstand“, dessen Uraufführung er selbst inszeniert hat, handelt, wie derzeit so viele Filme, von der linksradikalen Militanz der siebziger Jahre. Und wie die besseren dieser Filme, Andres Veiels „Black Box BRD“ oder Gerd Conradts „Starbuck Holger Meins“, setzt auch Dresens Theaterstück auf dokumentarische Nüchternheit. Nicht theatralische Effekte bestimmen die Inszenierung, sondern ein spröder Gestus, der Dokumente vorzeigt, Zeitgenossen zu Wort kommen lässt.

Seine Wahrhaftigkeit gewinnt Dresens Inszenierung nicht zuletzt daraus, dass sie die eigene Ratlosigkeit ausstellt. Mehr als einen historischen Moment festhalten will sie nicht. Mit einem Blick von außen, mit dem Blick des eine Generation später im Osten Geborenen, betrachtet Dresen einen Ausschnitt des destruktivsten Konfliktes der bundesrepublikanischen Geschichte. Und weil Dresen offenbar ein Menschenfreund ist, unterstellt er sowohl den Terroristen als auch ihren Feinden lautere Motive. Interessanter als pathetische Gesten der Verurteilung scheint ihm die möglichst unverstellte Wahrnehmung.

Die Bühne (Mathias Fischer-Dieskau): Ein modernes Verlies aus Waschbeton, ein Hochsicherheitsgefängnis oder ein Gerichtssaal. Der Raum demonstriert nüchterne Brutalität, Ein Staat, der sich mit solchen Bunkerbauten schützen will, ist verunsichert, gleichzeitig nervös und entschlossen, sich zu verteidigen, und sei es um den Preis der Selbstdeformationen. Die erste Figur, die in diesem Raum auftritt, trägt Handschellen. Eine Frau aus der so genannten Stadtguerilla, der anarchistischen „Bewegung 2. Juni“, erzählt von ersten Versuchen, Banken zu überfallen. Steffi Kühnert macht das mit dem herben Charme einer Amateurrevolutionärin: Auch der bewaffnete Kampf will gelernt sein. Nur weshalb sich ansonsten ganz vernünftige Leute so weit radikalisierten, dass sie nach dem Vorbild lateirikanischer Befreiungsbewegungen im Berlin der siebziger Jahre Bomben legten, hohe Juristen und Verfassungsschutzspitzel ermordeten, Politiker entführten und Banken überfielen, wird nicht so recht klar.

In diesem ersten Monolog rutscht Dresen in eine apolitische Romantisierung, die den bewaffneten Kampf auf Anekdoten herabschrumpft. Die Vorlage dieses Monologs, die Autobiografie Inge Vietts („Nie war ich furchtloser“, Edition Nautilus) ist da weit aufschlussreicher und differenzierter in der Selbstreflexion.

Nach der Täterin ein Opfer: Im zweiten Monologblock der Aufführung sitzt Christine Schorn als Witwe des Kammergerichtspräsidenten von Rodenberg mit der Aura einer wohlerzogenen Großbürgerin auf ihrem Stuhl an der Rampe. Nervös zucken die Hände, aber die Frisur und die guten Umgangsformen sitzen perfekt, als sie, unterbrochen von kleinen Seufzern, erzählt, wie ihr Mann ermordet wurde. Die Vorlage ist unverkennbar: 1975 erschoss die „Bewegung 2. Juni“ den Berliner Kammergerichtspräsidenten Günther von Drenkmann, eine Reaktion auf den Gefängnistod des im Hungerstreik gestorbenen Holger Meins.

Schorn gibt ihrer Figur einen präzise skizzierten Sozialcharakter und die Bitterkeit eines verletzten, traumatisierten Menschen. Hier wird kurz etwas von der Härte, des auf beiden Seiten mit entschlossener Brutalität ausgetragenen Konflikts sichtbar.

In der Kabarettnummer, die Axel Prahl als berlinernder Chauffeur von Peter Lorenz hinlegt, wird das wieder beiseite gewischt. Breitbeinig erzählt er die launige Anekdote von der Lorenz-Entführung. Das war der Moment, an dem die Aufführung zu einem Schwank aus dem Benno-Ohnesorg-Theater mutierte.

Peter Lorenz, als korrekter Anzugträger und empfindlicher Bürokrat von Michael Prelle skizziert, erzählt von seiner Entführung als sei es ein seltsames, aber nicht wirklich unangenehmes Abenteuer gewesen, und Margit Bendokat hat einen Auftritt als resolute Berlinerin, die auf die Politiker schimpft und für die Lorenz-Entführung ein gewisses Verständnis aufbringt: "Wer nicht hören will, muss fühlen, wa.“ Die Aufführung ist sympathisch in ihrer unaufgeregten Lauterkeit, nur leider geraten Dresen hier seine Figuren weit klischeehafter und eindimensionaler als in seinen Filmen.

Kammerspiele des Deutschen Theaters, wieder am 15. Juni um 20 Uhr.

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