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Streit um Christian Kracht: Im Spiegel der Kritik

Christian Krachts Roman „Imperium“: Die Debatte schwelt weiter. Nach den Kritikern und Kollegen hat sich in der jüngsten Ausgabe des "Spiegels" nun auch Krachts Verleger Helge Malchow für seinen Autor in die Bresche geworfen.

Man fragt sich im Zuge dieser Debatte um den Schriftsteller Christian Kracht und seinen Roman „Imperium“, der im Übrigen das Zeug zur Debatte von manchem Debattierenden schon früh abgesprochen wurde: Was ist eigentlich in den „Spiegel“ gefahren? Bekanntermaßen durfte vor zehn Tagen der „Spiegel“-Kritiker Georg Diez seine irrlichternde Generalabrechnung vornehmen, gipfelnd in dem Vorwurf, Kracht bahne totalitärem, antimodernem, demokratiefeindlichem Denken den Weg in den Mainstream. Dann passierte genau das, was von Diez und dem „Spiegel“ beabsichtigt war: Es gab allerlei Reaktionen darauf. Von den Kritikern, die Krachts Buch begeistert oder auch nicht so begeistert gelesen hatten, aber alle mit dem Tenor, wie falsch Diez liege. Von Krachts Verlag, der sich hinter seinen Autor stellte. Und von Kollegen wie Monika Maron, Daniel Kehlmann, Elfriede Jelinek, Thomas von Steinäcker, Uwe Timm oder Feridun Zaimoglu, die einen Offenen Brief an die „Spiegel“–Chefredaktion schrieben und dem Magazin vorwarfen, „die Grenzen zwischen Kritik und Denunziation überschritten“ zu haben: „Äußerungen von literarischen Erzählern und Figuren werden konsequent dem Autor zugeschrieben und dann als Beweis einer gefährlichen politischen Haltung gewertet.“

Ja, und was macht der „Spiegel“? Lässt Krachts Verleger Helge Malchow von Kiepenheuer & Witsch das Wort ergreifen und sich schützend vor seinen Autor stellen. Lässt ihn das Buch feiern , wie es die Art aller Verleger ist, wenn sie von Büchern überzeugt sind, und noch einmal länglich darlegen, was die Autoren in ihrem Offenen Brief schon in aller Kürze auf den Punkt gebracht hatten: dass Autoren und ihre Erzähler, Helden, Figuren (und deren Einstellungen und politische Haltungen) in einem Roman nicht einfach eins zu eins gesetzt werden dürfen. Das kleine Einmaleins der Literaturkritik eben.„Der Text von Diez hat eine Debatte über die Methoden der Literaturkritik ausgelöst“, steht scheinheilig über Helge Malchows Text – dabei ist es vor allem die Methode der Diez-Kritik, um die es geht. Wäre diese nicht so danebengegriffen, müsste man fast Mitleid mit Diez bekommen. Im eigenen Haus mag sich anscheinend niemand so recht für Diez einsetzen. Oder zumindest präziser erklären, wie es sich mit Krachts Literatur nun wirklich verhält.

Die Frage ist, ob Letzteres wiederum lohnt. Ob zumindest der Roman „Imperium“ diese Mühe, diese Aufregung überhaupt wert ist, ob man sich hier nicht wieder in längst vergangenen, überwundenen „Tristesse-Royale“-, „Mesopotamia“- und „1979“-Zeiten wiederfindet? Denn die Kunstfertigkeit und das Stilbewusstsein Krachts mögen das eine sein. Das andere sind die Leere, die sich dahinter verbirgt, seine Leidenschaft für Ironie, auf die er sich im Ernstfall immer wieder zurückziehen kann. Und womöglich mag Kracht jetzt wirklich sehr verletzt sein. Vielleicht gibt es wirklich einen bestimmten Druck in der Richtung, so wie Helge Malchow suggeriert, dass nach dem Diez-Artikel ausgerechnet „das Opfer sich nun rechtfertigen muss“. Abgesehen davon, dass sich wirklich viele Kollegen für den in Florenz lebenden Schriftsteller in die Bresche geworfen haben: Christian Kracht hielt sich, und das gekonnt, schon immer bedeckt, wenn er sich zu seinen Büchern äußern sollte. Das hätte er mit Sicherheit auch ohne den Diez-Artikel getan. Gerrit Bartels

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