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Kultur: Strichcode auf der Stirn

Kunst mit Spoiler: Junge deutsche Malerei in Dresden. Wie die Kunstsammlungen sich um neue Partner bemühen

Fehlfarben – das sind Tabakblätter mit Farbabweichungen, aus denen preiswerte Zigarren hergestellt werden. Die Droge der Großväter. „Fehlfarben“, so nennen auch Ulrich Bischoff und Birgit Dalbajewa von der Dresdner Galerie Neue Meister ihre Ausstellung junger deutscher Malerei, die sie – mit Unterstützung des VW-Konzerns – im Georgenbau des Dresdner Schlosses und in der Gläsernen Manufaktur präsentieren. An alte sparsame Männer werden weder die Museumsleute noch die Autobauer gedacht haben. Wo die Fertigung des Phaeton, VWs eher verhalten nachgefragter Nobelkarosse, wie in einem Hochamt zelebriert wird, passt Kunst im Spagat zwischen Innovationslust und Gediegenheit bestens ins Bild.

Oder auch nicht. Mit „Fehlfarben“ wollen die Kuratoren „einen deutlichen Hinweis auf die von der Natur und der architektonischen Wirklichkeit abweichenden Farben“ digitaler Bilder ausgemacht haben. Die knapp vierzig Werke von zwölf Künstlern – geboren zwischen 1952 und 1973, die meisten von ihnen in Dresden und Leipzig ausgebildet – unterstützen diese nicht eben neue These nur bedingt. Dass Malerei keine Wirklichkeit ablichtet, wusste schon das 15. Jahrhundert. Sicher, mit der Computertechnik tritt eine bildgebende Instanz auf, die die Autorenrolle des Künstlers unterlaufen könnte. Trotzdem: Der humane Ausdruck per Hand gemalter Bilder lässt sich nicht austreiben. Noch interpretieren Künstler die Maschinen.

Und die neu-alte Lust am Subjektiven wächst. Aktuelle deutsche Malerei, kurz „YGA“ (Young German Art), gehöre zu den wenigen deutschen Exportschlagern, konstatierte unlängst selbst der „Spiegel“. Lässt man jedoch die trendsetzenden Ausstellungen des vergangenen Jahres in Frankfurt und Wolfsburg Revue passieren, schwindet das Kürzel zur bloßen Behauptung: Die deutsche Malerei nach Martin Kippenberger bleibt eine vom Kunstmarkt herbeigewünschte Chimäre.

Natürlich finden sich auch in Dresden Bilder, die ihren elektronischen V-Effekt stolz wie einen Strichcode an der Stirn tragen. Künstler wie Eberhard Havekost und Johannes Kahrs stehen für eine Beschleunigung, die, hundert Jahre nach der Physik, nun auch unsere Körperwahrnehmung erfasst hat. Auffällig oft arbeiten sie sich an der Uneindeutigkeit von Räumen ab, wie sie schon Jacques Tati in seinen Filmen „Mon Oncle“ und „Playtime“ umtrieb. Doch die autobiografischen Gespinste einer Rosa Loy oder Cornelia Schleime, die altmeisterlich leuchtenden Rätsel Wolfgang Koethes und die abstrakten Kompositionen Uwe Kowskis spielen souverän unaufdringlich auf sächsische Traditionen an. So knüpft die Auswahl – nicht ganz nahtlos – an die ständige Sammlung der Dresdener Galerie Neue Meister an. Ihr Direktor Ulrich Bischoff wäre zufrieden, wenn drei oder vier Werke daraus erworben werden könnten. Mit seinen für ein Weltklassemuseum allerdings recht bescheidenen, zudem von Jahr zu Jahr schwankenden Ankaufsmitteln zahlt Bischoff in diesem und im nächsten Jahr ein Selbstbildnis von Max Liebermann ab, das seit Jahrzehnten in der Galerie hängt und nun von den Alteigentümern zurückgekauft werden musste.

So kommt sie gerade recht, die strategische Partnerschaft der Dresdener Kunstsammlungen – immerhin der zweitgrößte deutsche Museumsverbund – mit VW, einem Unternehmen, das sich bislang bei der Förderung bildender Kunst vornehm zurückhielt. Bereits bei der Maastrichter Antiquitätenmesse Tefaf im März präsentierten die Kunstsammlungen Objekte aus dem Grünen Gewölbe am VW-Stand. Die „Verknüpfung von Art & Economy“, so betont der Generaldirektor der Kunstsammlungen Martin Roth, will mehr sein als bloßes Sponsoring. Nur was, das versteht man nach diesen ersten beiden Auftritten noch nicht so recht. Außer dem Bemühen des Autobauers, seine Fabrik zum Kulturtempel zu machen.

Dresden, bis 31. Mai. Georgenbau des Residenzschlosses, Mi – Mo 10 – 18 Uhr, Gläserne Manufaktur, täglich 8 – 20 Uhr. Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König (Köln), 14,80 €.

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