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Kultur: Stromdiebe gegen Strippenzieher

Die indische Doku „Powerless“ lässt im FORUM Funken stieben.

Unfassbar, dieser Kabelsalat. Die kokelnden Stromleitungen, aus denen Flammen schlagen. Die illegal angezapften, explodierenden Transformatoren. Kanpur, die Drei-Millionen-Metropole im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, ist eine Stadt unter Hochspannung. Besonders wenn sie sommers in den Armenvierteln bei fast 40 Grad Hitze mal wieder 15 Stunden lang keinen Strom hat. Da kocht der Volkszorn jeden Tag. Wasserpumpen, Ventilatoren, die Nähmaschinen in den Kleinbetrieben der Lederindustrie – nichts läuft. Nur die stinkenden Dieselgeneratoren.

Sie sind die eine Stütze der Stromversorgung, die andere ist der Stromdieb Loha Singh. Eine Art Robin Hood des Energiegewerbes, dessen Job es ist, Kleinstunternehmer, Ladenbesitzer und arme Nachbarn mittels Zange, Schneidezähnen und von Stromschlägen lädierten Fingern heimlich an die Leitungen des Energieversorgers Kesco anzuschließen. Dessen Chefin Ritu Maheshwari wiederum, die gegen die Rieseneinnahmeverluste durch Stromklau kämpft, ist ein eher untypischer Sheriff von Nottingham. Sie will die lebenswichtige Infrastruktur sanieren und braucht dafür zahlende Kunden.

Eindrucksvoll und unterhaltsam ist das, wie die Dokumentarfilmer Fahad Mustafa und Deepti Kakkar das Dilemma des Stromkonflikts anhand dieser Antagonisten nachzeichnen – und noch dazu dicht erzählt und munter musikalisch untermalt. Nur Held, nur Schurke sind sie nicht, eher zwei Figuren im von Bürokratie, Korruption, Politik beeinflussten Verteilungskampf, der so unentwirrbar scheint wie der allgegenwärtige Kabelsalat. 1,5 Billionen Menschen auf der Welt leben ohne Strom, 400 Millionen davon in Indien, heißt es im Vorspann. „Powerless“ ist mehr als ein guter Film. Er ist eine politische Blaupause.Gunda Bartels

15.2., 15 Uhr (Arsenal 1), 16.2., 19 Uhr (Delphi)

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