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Deutschlands Gesichter. Ein Schäferhund als Symbol – und Hauptdarstellerin Katja Hiller in der Rolle der Bloggerin Claire.

© David Baltzer/ bildbuehne.de/Grips

Stück über die Neue Rechte am Grips Theater: Reiz und Reaktion

Ideologische Grenzfälle. „Das Heimatkleid“ im Grips-Podewil ist ein wichtiges Stück über das Verführungspotenzial der Neue Rechten.

Nein, das ist nicht Cando auf dem Bild. Also, der Schäferhund von Bayerntrainer Jupp Heynckes, dessen Wohlbefinden und Essverhalten zu einem Lieblingsthema der bundesrepublikanischen Sportberichterstattung avanciert ist. Das Tier, das von der gewaltigen Fototapete im Grips-Podewil dem Zuschauer entgegenhechelt, strahlt auch nichts Possierlich-Lustiges aus. Es erinnert eher daran, dass dieser wahlweise treue oder bissige Begleiter jenseits von Candos eigenem Twitter-Account ein historisch gewachsenes Imageproblem hat. Steht jedenfalls nicht für das freundliche Gesicht Deutschlands. Bloß, was kann der Hund dafür?

Ebenso lässt sich fragen: Kann ein Kleid politisch sein? Ist irgendetwas falsch daran, auf deutsche Stoffe und heimische Fertigung zu setzen? Bedeutet Patriotismus gleich rechte Gesinnung? Mit solchen ideologischen Grenzfällen wird die junge Claire konfrontiert. Und zwar im Stück „Das Heimatkleid“ von Kirsten Fuchs, das Tim Egloff fürs Grips-Theater inszeniert hat. Claire, gespielt von Katja Hiller, übernimmt in Berlin die Wohnung ihrer abwesenden Schwester Luise – und deren Modeblog gleich mit.

Ein hippes Trachtenkleid zum Interview

Fürs erste Videointerview soll sie Claudia Kappelt treffen, die Gründerin des titelgebenden Labels „Heimatkleid“. Eine durchaus sympathische Frau, die mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und Traditionsbewusstsein argumentiert. Der trachtenmäßige Dress aus Kappelts Kollektion, den Claire fürs Interview angezogen hat, gefällt ihr in seiner rückwärtsgewandten Hipness ziemlich gut. Und dass vor der Firmentür ein Demonstrantenchor „Nazis raus!“ skandiert, versteht die politisch eher naive Neu-Bloggerin auch nicht. Dazu passt, dass Claire sich zunehmend zu ihrem Nachbarn Tom Jauer hingezogen fühlt, der eine aufstrebende Partei namens DH klasse findet.

Wählen die nicht nur Idioten? Ist es andererseits nicht bedenklich, dass Piet und Marc aus dem Haus als schwules Paar Angst vor islamistischen Übergriffen haben müssen? Und könnte es nicht sein, dass der Syrer Al Sayed Luises Hund vergiftet hat? Moslems hassen bekanntlich Hunde. Oder etwa nicht?

Katja Hiller schultert die Geschichte als Monolog

Kirsten Fuchs’ feinmaschiger Text führt durchaus subtil in die Denk- und Argumentationsmuster der sogenannten Neuen Rechten ein und setzt die Zuschauer („Das Heimatkleid“ ist für Menschen ab 16 empfohlen) deren Verführungspotenzial erst mal aus. Um dann, je enger sich die nationalistischen Maschen und auch die Schnüre des coolen Trachtenkleides zuziehen, eben doch das notwendige Rüstzeug zu liefern, das aus dem Labyrinth der fremdenfeindlichen Zuschreibungen und der „Man wird doch wohl noch sagen dürfen“-Windungen wieder heraushilft.

Katja Hiller, seit jeher eine der besten Spielerinnen im Grips-Ensemble, schultert die Geschichte als Monolog und belebt sie ganz großartig in ihrer vielstimmigen Fallenstellerei. Nicht nur die rechte Mode, die im „Heimatkleid“ Gestalt annimmt, hat dabei ihre Vorbilder in der Realität. Auch ein Typ wie Tom kennt als charmanter Brandstifter seine Wiedergänger in der politischen Wirklichkeit. Schon insofern ist dieses zur passenden Zeit kommende Stück wichtig.

Wieder im Grips-Podewil am 3./4.11., 19.30 Uhr, 5.11., 18 Uh. Weitere Termine im Dezember und Januar

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