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Geschichtskitsch. Die Konföderierten-Flagge als Symbol für die Vorbürgerkriegszeit wird bis heute in den Südstaaten gehisst.

© John Taggart/dpa

Südstaatenthriller von Tom Franklin: Schwarze Seelen, weiße Rassisten

Chabot, Mississippi. Hier lebt die weiße Unterschicht - und ein schwarzer Cop. Hier spielt Tom Franklins Roman "Krumme Type, krumme Type". Er erzählt virtuos von Gewalt und Rassismus im Süden der USA.

Wer das Böse besiegen will, braucht Ausdauer. Seine Gefahr beruht auf Zähigkeit. Man kann eine Schlange nicht einfach überrollen und weiterfahren, weiß Silas, ein schwarzer Cop, der auf Streife im sumpfigen amerikanischen Süden unterwegs ist. „Weil man sie damit bloß wütend macht. Man muss zurückstoßen und die Reifen auf ihr durchdrehen lassen, wenn man sie umbringen will.“ Chabot, Mississippi, ist ein Ort, wie ihn auch Faulkner hätte erfinden können. Es gibt einen Lokalfürsten, den Sägewerksbesitzer, und die Menschen, die bei ihm im Sägewerk arbeiten. Die Fourteenth Avenue wird White Trash Avenue genannt, dort lebt der weiße Abschaum in Trailern und runtergekommenen Häusern. Silas verteilt Strafzettel, damit Geld in die Gemeindekasse kommt, regelt den Feierabendverkehr am Sägewerk und wird manchmal gerufen, wenn sich eine Mokassinschlange in einem Briefkasten versteckt hat. Die Tage vergehen wie in Zeitlupe.

Vor 25 Jahren war eine junge Frau verschwunden, ihre Leiche wurde nie gefunden. Als wieder ein Mädchen entführt wird, sind sich die Leute sofort sicher, wer dafür verantwortlich sein muss. Alle Spuren deuteten schon damals auf Larry Ott, aus Mangel an Beweisen ist er nie verurteilt worden. Der vermeintliche Kidnapper, Vergewaltiger, Mörder hat sich wie eine Larve in die Vergangenheit verpuppt, betreibt die Autowerkstatt seines Vaters weiter, die keine Kunden mehr hat, abends schaut er Dracula-Filme im Kabelfernsehen. In einer Gewitternacht „wirkte die Welt wie stroboskopisch erleuchtet, innerlich zerrissen, als kämpften Tag und Nacht um die Vorherrschaft wie Gott und der Teufel“.

Manchmal wird der Tonfall biblisch

Silas und Larry, ein Schwarzer und ein Weißer, die als Kinder so etwas wie Freunde waren, sind die ungleichen Helden von Tom Franklins großem Southern-Gothic-Thriller „Krumme Type, krumme Type“. Der eine kam mit nichts als den Klamotten, die er auf dem Leib trug, in der Gegend an, hauste mit seiner Mutter in einer Hütte ohne Wasser und Strom. Der andere ist mit einem Vater aufgewachsen, der ihn als „Schlappschwanz“ verachtete und brutal verprügelte.

Gewalt, Armut und Rassismus prägen noch immer das Leben in dieser Hinterwald-Welt. Während die Zeit neue Jahre auf die alten häuft, sind die alten immer noch da, „so wie die frühesten, engsten Ringe in der Mitte eines Baumstamms, in Dunkelheit eingeschlossen und vor dem Wetter geschützt“. Franklin springt virtuos zwischen den Zeiten hin und her, erzählt lakonisch, manchmal wird der Tonfall biblisch. Seine Untergangsprosa funkelt.

Tom Franklin: Krumme Type, krumme Type. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl, Pulp Master, Berlin 2018. 406 S., 15,80 €.

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