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Kultur: Südtor zur City West

Wie aus einem verlotterten Areal ein Stück Berlin werden könnte

Der Park hinter der heute von den Berliner Festspielen genutzten Freien Volksbühne trägt offiziell den Namen „Gerhart Hauptmann Anlage“ (GHA). Doch so fossil wie die Bezeichnung ist sie auch. Das liegt nicht eigentlich an mangelnder Pflege, sondern an Gestaltung und Lage. Die Liegewiese ist ein Hundeklo, die Spielplätze sind Kindern trotz Trampolin und Seilbahn eher unheimlich. Sie ist als Drogentreff bekannt und grenzt an die düsteren Parkpaletten hinter der Volksbühne. Und waren diese immer schon totes Terrain, das nicht einmal zu den lebendigsten Zeiten des Theaters wirklich genutzt wurde, so sind sie heute regelrecht eine Gefahr für die Öffentlichkeit. Auch wenn oder gerade weil obenauf die allseits beliebte „Bar jeder Vernunft“ schwebt, müsste vorm Untergeschoss ein Schild stehen: Bürger, schützt eure Frauen und Kinder!

Die GHA stammt ihrer Idee nach noch aus den autogerechten sechziger und siebziger Jahren. Die Palette besetzt rund ein Viertel der Grünfläche und versperrt den Durchgang zur Schaper- und Meinekestraße. Gedacht war sie aber als eine Art Zwischennutzung, denn verkehrsplanerisch war entlang der Meierottostraße noch bis in die achtziger Jahre die legendäre Autobahnzufahrt Fasanenstraße vorgesehen.

Ausgelöst durch den Verkauf der Volksbühne zur Entschuldung des Trägervereins im Jahr 1998 gibt es jetzt Neubaupläne. Als Gegenleistung für die Erhaltung des Volksbühnengebäudes von Fritz Bornemann (1961) und dessen Überlassung an die Berliner Festspiele GmbH hat die Hamburger Neubau GmbH auf dem Grundstück Baurecht für ein Hotel erworben. Damit dieses nicht mitten im Park oder an die Volksbühne selbst gebaut wird, ist ein Grundstückstausch avisiert, der das Hotel an die Bundesallee, Ecke Meierottostraße, rücken würde, just gegenüber der Einmündung der Spichernstraße. Ein erster Entwurf des Berliner Architekten Hans Kollhoff liegt vor. Obenan in den Planungen steht jedoch die Beseitigung der Parkpaletten. Und die würde zwischen Bundesallee und Meierottostraße eine Fläche freilegen, die gartenarchitektonisch formidabel zu gestalten wäre. Neben dem ästhetischen Gewinn würde der Bezirk dabei auch rechnerisch noch rund 3000 Quadratmeter Grünfläche mehr erhalten - zweifelsfrei ein gutes Geschäft. Dass es aber ein Hochhaus an der Bundesallee werden soll, empört Anrainer, die sich in einer Bürgerinitiative organisiert haben.

Letztlich befinden (und entscheiden) in diesen Fragen wird man allerdings nur können, wenn man den gesamten Stadtraum vom Fasanenplatz über die Festspiele und die GHA bis zur riesigen Verkehrskreuzung Spichernstraße/Bundesallee/Hohenzollerndamm in den Blick nimmt. An letzterer ragt das Gebäude der Investititonsbank Berlin (IBB) 90 Meter in die Höhe. Eine Ecke weiter südlich hat die BfA das gleiche Baurecht und ist gewillt, es demnächst einzulösen. Das würde, käme das Haus in ansehnlicher Architektur daher, das endlich fertiggestellte Quartier am Prager Platz arrondieren. Gegenüber der IBB jedoch kauern Sechziger-Jahre-Bauten der Betriebskrankenkasse Berlin (BKK). Sie hat ihr Grundstück verkauft und möchte ihre verstreuten Filialen dort ebenfalls in einem Hochhaus-Neubau zusammenziehen.

In der städtebaulichen Koordination des Areals liegt die Lösung. Denn hier bietet sich die Möglichkeit, die überweiten Verkehrs- und Straßenbauten zugunsten gestalteter Architektur zurückzunehmen. Ein Wettbewerb müsste ausgelobt werden, der die stadträumlichen und stadtbildlichen Verhältnisse an dieser Stelle sortiert. Denn vorläufig hat der Spichernplatz weder seinen Namen verdient noch einen greifbaren Ort, weder Figur noch Realität – wohl aber das Potenzial, zum prägenden Südtor in die City West zu werden.

Gerwin Zohlen

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