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Kultur: Südtribüne schlägt Gegengerade

Tarek Ehlails schräge FC-St. Pauli-Hommage

Mario Adorf ist schon so manchen Filmtod gestorben, dieser aber ist besonders dramatisch: Als Imbisswirt Baldu liegt er niedergeknüppelt von randalierenden Polizisten am Boden, rafft sich noch einmal auf, hält sich ans Herz und sinkt wieder in sich zusammen. Das Ganze in extrem entschleunigter Zeitlupe. Doch was in anderen Zusammenhängen zu Tränen rühren könnte, ist in Tarek Ehlails Spielfilm-Hommage an den Hamburger Fußballklub FC St. Pauli nur eins: quälend langweilig. Der 29-jährige Regisseur lässt vor dieser finalen Szene in „Gegengerade - Niemand siegt am Millerntor“ zu viele grobschlächtige, klischeehafte Charaktere in einem zu einseitigen Bild der St. Pauli-Fanszene auftreten, als dass man noch Mitleid mit Baldu empfinden könnte.

Schade, denn im Tod des alten Frittenmannes versteckt sich das wesentliche Anliegen des Films, den Tarek Ehlail zum 100-jährigen Jubiläum des TotenkopfKlubs drehte: die Geschichte des Identitätsverlusts eines Vereins, der stets versuchte, anders zu sein, tolerant, bunt, originell. Die eingefleischten Fans auf der maroden Gegengerade fühlen sich durch Vip-Lounges auf der modernen Südtribüne eingeengt. Kommerz frisst Kult, man kennt das.

Die Welt aber, in der die Protagonisten Magnus (Timo Jacobs), Kowalski (Denis Moschitto) und Arne (Fabian Busch) leben, erscheint in „Gegengerade“ so überhaupt nicht erhaltenswert. Sie ist, wofür der FC St. Pauli eigentlich nicht stehen will: schwarz-weiß. Ein Immobilienmakler (Moritz Bleibtreu) ist grundsätzlich böse, alle Polizisten sowieso und Rechtsradikale sind unbekehrbare Monster, die die Dreier-Gang völlig zu Recht ausführlichst zusammenschlägt. Phasenweise verkommt „Gegengerade“ so zu einer reinen Prügelorgie. Zu sehen ist übrigens keine einzige Spielszene vom Fußballfeld. Aber um Sport geht es diesen Hooligans wohl auch nicht. Johan Dehoust

Cinemaxx, Babylon, Downstairs im Filmcafé

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