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Gefährdetes Glück. Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz bei der Eröffnungsfeier nach dem Umzug des Verlags von Frankfurt nach Berlin 2010.

© picture alliance / dpa

Suhrkamp: Der Kampf geht weiter

Drama um Suhrkamp: Das Berliner Landgericht beschert Verlagschefin Ulla Unseld-Berkéwicz eine herbe Niederlage. Als Geschäftsführerin ist sie abberufen. Jetzt geht der erbitterte Kampf um das Traditionshaus in die nächste Runde. Der nächste Gerichtstermin ist für Februar in Frankfurt/Main anberaumt.

Es ist 12 Uhr mittags, das Wetter ist finster, und das Berliner Literaturfeuilleton mitsamt dem Schriftsteller Rainald Goetz trifft sich zur Abwechslung mal nicht in einem Literaturhaus oder einem Verlagsbüro, sondern im Landesgericht Mitte, in der Littenstraße hinter dem Einkaufszentrum Alexa am Alexanderplatz. Grund dieser Zusammenkunft an einem eher unliterarischen Ort: die beiden Zivilprozesse, die der Minderheitengesellschafter Hans Barlach des Suhrkamp Verlags gegen die Mehrheitsgesellschafterin Ulla Unseld-Berkéwicz und ihre Siegfried und Ulla Unseld Stiftung führt (Tsp. von 10. Dezember). An diesem Montagmittag werden die Urteile erwartet.

In dem einen Prozess geht es um eine Schadensersatzklage von Hans Barlach und seiner Medienholding AG gegen die dreiköpfige Geschäftsführung der Suhrkamp Verlagsleitung GmbH, namentlich Ulla Unseld-Berkéwicz, Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe. Und zwar im Zusammenhang mit der von Unseld-Berkéwicz und ihrer Familie erworbenen Villa in der Gerkrathstraße in Nikolassee und der gleichzeitigen Vermietung von Räumen der Villa an den Verlag. Gegenstand des zweiten Prozesses ist die Klage auf Abberufung eben jener Geschäftsführung.

Die Verblüffung ist groß, als in dem kleinen, schmucklosen Saal 3809 der Vorsitzende Richter Harmut Gieritz geschäftsmäßig und nur in Anwesenheit eines Anwalts der beklagten Mehrheitsgesellschafter die Urteile verliest. Und das nicht nur, weil die juristischen Formulierungen beim ersten Hören alles andere als klar verständlich sind. Sondern weil bei der Verlesung des sogenannten Entscheidungstenors im zweiten Urteil mehrmals von der Abberufung der Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkéwicz die Rede ist.

Tatsächlich hat die Zivilkammer 99 des Landgerichts Berlin zwei Urteile gefällt, die man nur als herbe Niederlage für die Suhrkamp-Verlagsleiterin und ihre beiden anderen Geschäftsführer bezeichnen kann. Zum einen muss die gegenwärtige Geschäftsführung unter Leitung von Unseld-Berkéwicz eine Schadensersatzzahlung von knapp über 282 500 Euro leisten, und zwar an den Suhrkamp Verlag. Ebenso wurde festgestellt, dass dem Verlag durch die Vermietung der Räume der Villa ein Schaden von 6600 Euro monatlich entstanden ist, seit Anfang dieses Jahres. Will heißen: Das Gericht sieht bei der Vermietung der Räume durch die Familie von Unseld-Berkéwicz an den Verlag, aber eben auch bei der Ausstattung und den Veranstaltungs- und Bewirtungskosten eine unzulässige Vermischung zwischen dem privaten und dem geschäftlichen Bereich.

Zum anderen hat das Landgericht wegen dieses rechtswidrigen Vergehens auch dem Antrag auf die Abberufung der gegenwärtigen Geschäftsführung stattgegeben. Dass heißt, das Ulla Unseld-Berkéwicz nicht mehr unumschränkte Chefin im eigenen Verlagshaus ist, das aus verschiedenen, kompliziert miteinander verschachtelten Gesellschaften besteht. Man sei „schockiert“ und „überrascht“ von den Urteilen, so Verlagssprecherin Tanja Postpischil, allerdings sehe man auch „keinen akuten Handlungsbedarf“, solange das Urteil nicht rechtskräftig sei. Suhrkamp-Anwalt Peter Raue sagte, bis dahin ändere sich nichts an der derzeitigen Geschäftsführung. Raue geht davon aus, dass die Verlagsspitze gegen die Entscheidung Berufung einlegt. Zunächst jedoch soll die Urteilsbegründung abgewartet werden.

Ist das der Anfang vom Ende von Suhrkamp?

Die berühmten regenbogenfarbenen Cover der Edition Suhrkamp.
Die berühmten regenbogenfarbenen Cover der Edition Suhrkamp.

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Die erste Mitteilung der Geschäftsführung von Suhrkamp liest sich denn auch knapp und ernüchtert. Sie fasst die Urteile zusammen, stellt die Berufung in Aussicht und spielt auf Zeit: „Erfahrungsgemäß wird eine Entscheidung nicht vor Ende 2013 gefällt werden.“ Die „Zuversicht“ und „Gelassenheit“ auf Seiten der Mehrheitsgesellschafter, von der im Zusammenhang mit einem weiteren, in Frankfurt am 13. Februar zu verhandelnden Prozess die Rede war, in welchem Hans Barlach die Auflösung des Verlags beantragt hatte, ist jedenfalls dahin. Zumal die Berufung keinesfalls eine Erfolgsgarantie darstellt.

Das Berliner Urteil verkompliziert den Streit um den Suhrkamp Verlag noch mehr. Denn wenn im Februar in Frankfurt unter anderem eine Entscheidung über die Auflösungsklage von Barlachs Medienholding AG gefällt wird und die Klage abgewiesen wird – im Sinne des Fortbestehens des Verlags –, hängt wiederum viel von der Berufung ab. Wird das Berliner Urteil 2013 endgültig für rechtskräftig erklärt, ist Hans Barlach seinem Ziel, die Geschicke des Verlages entscheidend mitzubestimmen, und zwar nicht nur im Bereich der Finanzen, ein großes Stück vorangekommen. Ob das dem Suhrkamp Verlag, sollte es ihn dann in seiner jetzigen Form überhaupt noch geben, wirklich zugute kommt?

Bisher hat Barlach lediglich mit Worten zu erkennen gegeben, dass er sich für geeigneter hält als Ulla Unseld-Berkéwicz, den Suhrkamp Verlag zu leiten. Vielleicht mag das in ökonomischen Belangen zutreffen, aber sonst? Als „Medienunternehmer“ hat sich der 1955 geborene und in Hamburg lebende Enkel des Bildhauers Ernst Barlach bislang eher als Abwickler, Käufer und Verkäufer hervorgetan („Hamburger Rundschau“, „Hamburger Morgenpost“, „TV Today“) und nicht als jemand, der sich langfristigen Projekten verschreibt.

Andererseits muss es nicht gleich den Untergang von Suhrkamp bedeuten, sollte der Verlag eine neue Geschäftsführung bekommen, mit der auch Hans Barlach leben kann. Dass sich die Situation ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zuspitzt, da die Performance des Verlags nach dem Umzug nach Berlin vor knapp drei Jahren zumindest programmatisch so gut wie lange nicht ist, hat seine eigene Tragik. Die neuen Turbulenzen sind dem Verlag jedenfalls nicht förderlich.

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