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Leselust unter Regenbogen. Vor allem die „Edition Suhrkamp“ begründete ab 1963 den Ruf des Verlags als geistige Heimat der linken Intelligenz.

© dpa

Suhrkamp in Berlin: Die große Liebe

Wie es um den Suhrkamp Verlag im Jahr 2010 stand: Ein schöner Abend im einstigen, temporären Edition-Suhrkamp-Laden in Berlin-Mitte - und die Verleihung des Siegfried-Unseld-Preises ab Sari Nusseibeh und Amos Oz im Roten Rathaus

Als letzte Woche im großen Saal des Roten Rathauses der Siegfried-Unseld- Preis gemeinsam an den palästinensischen Autor Sari Nusseibeh und den Israeli Amos Oz verliehen wurde, schlackerten einem zu Beginn dieser Feierlichkeit sehr die Ohren. Ans Mikro trat der Hausherr, Berlins Bürgermeister und Kultursenator, grüßte und sprach: „Suhrkamp und Berlin, das ist Liebe auf den ersten Blick“. Er säuselte: „Suhrkamp fliegen die Herzen zu, der Verlag ist wieder angekommen in der Stadt“. Und er flötete, wie „friedlich-fröhlich“ der Verlag Berlin „erobert“ hätte mit prachtvoll vollen Veranstaltungen wie der Rainald-Goetz-Buchpremiere vor zwei Wochen oder dem LCB-Sommerfest im August. Und er säuselte hier und flötete dort, auf dass es trotz des ach so schwierigen, von Nusseibeh und Oz in ihren Büchern bearbeiteten israelisch-palästinensischen Konflikts doch bitte schön ein geselliger Abend werde.

Das Schlackern hörte erst wieder auf, als Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz ihre ernste, weihevolle Rede hielt, die in einem Lob auf die „monotheistische Solidarität“ mündete, auf „das Prinzip des Sieges des Guten“; als Sari Nusseibeh eher vertrackte Worte fand; und als Amos Oz so schön, so klug und so lebensnah von seiner Herkunft zu berichten wusste und für eine Zwei-Staaten-Lösung warb.

Bernd Cailloux und Rabea Edel rauchen zusammen eine Zigarette

Trotzdem versteckte sich in Klaus Wowereits Flöten und Säuseln durchaus eine Wahrheit: Der Suhrkamp-Verlag hat schneller als gedacht seine Pflöcke in die Stadt geschlagen, er ist schon jetzt ein wichtiger gesellschaftlicher Bestandteil Berlins, der Stadt, in der er schließlich 1950 gegründet wurde. Und ihm wird seinerseits bei den von ihm ausgerichteten Events die Bude eingerannt, bei den von Wowereit genannten genauso wie bei den sommerlichen Veranstaltungen im Edition-Suhrkamp-Laden in der Linienstraße in Mitte, oder nun bei dieser Siegfried-Unseld-Preis-Verleihung.

Das Merkwürdige dabei: Der Verlag funktioniert gerade auf einer Szene- und Hipness-Ebene, wie die es-Reihe in Mitte bewies oder vor kurzem die Rafael-Horzon-Buchpremierenparty im Berghain. Wer dort nicht präsent war, fiel auf und musste sich tags drauf anhören: „Es waren alle da, nur du nicht.“ Oder: „Das war ein wirklich lustiger Abend."

Ein geselliger Abend wurde es wie versprochen dann auch im Roten Rathaus. Der israelisch-palästinensische Konflikt war schnell vergessen, als es Häppchen und Wein gab. Und schon wurde hier Rainald Goetz gesucht und dort nach Thomas Meinecke Ausschau gehalten, aber bloß Durs Grünbein, Angela Krauß und Ralf Rothmann gefunden. Sie alle gehörten der Jury an, die Oz (und gemeinsam mit Oz wohl auch Nusseibeh) im Namen der Unseld-Stiftung für den Preis auserkoren hatte, und sie alle saßen schön im Saal nebeneinander, zerstreuten sich danach aber sofort. „Sie wissen doch, wie das in Jurys zugeht“, erklärte der einstige Suhrkamp-Autor Michael Rutschky und berichtete lieber von seiner Zweitkarriere als Fotograf mit Galeristen und Verkaufskajüte auf dem Art Forum.

Und schon stand der Schriftsteller Bernd Cailloux da, rauchte draußen die Luchterhand-Autorin (und Suhrkamp-Autorin in spe?) Rabea Edel fröhlich eine Zigarette, machte Suhrkamp-Geschäftsführer Thomas Sparr seine gern auch mal ironischen Honneurs („Was für eine Ehre für uns, Sie hier zu sehen“), verabredete sich Lektorenlegende Raimund Fellinger mit einem Kollegen vorsichtshalber gleich für die Zeit nach der Messe zum Reden. Und sprach die erfahrene Literaturkritikerin: „Na, kleine Indiskretionen und Klatsch, das macht Ihnen Spaß, oder?" (Was soll man dazu sagen? Igitt, nein? Oder: Klar, was sonst?). Nach dieser sympathischen Gesprächseinleitung erkundigte sie sich höchst interessiert, welche Buchmessenparties denn wohl dieses Jahr die vielversprechendsten sind.

Ja, der Suhrkamp-Verlag. Er ist die Galerie berlintokyo der zehner Jahre, der neue Pogo-Club, vielleicht gar der „Broken-Hearts-Club“. Mal hier, mal da, immer gut. Der Szeneladen mit Familienatmo, der auch anders kann: hochkulturell, wissenschaftlich, das überschaubare Berliner Bildungsbürgertum an sich bindend.

Hauptsache, die Liebe auf den ersten Blick hält auch einen zweiten und dritten aus. Dann wäre wirklich alles gut.

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