zum Hauptinhalt

Kultur: "Super 8 Stories": Land ohne Zeitplan

Super 8 ist das Format für Privates. Kinder lernen laufen, Mütter lächeln hübsch.

Super 8 ist das Format für Privates. Kinder lernen laufen, Mütter lächeln hübsch. Und die Väter? Stehen meistens hinter der Kamera und kommentieren später das Gefilmte. Emir Kusturica macht da keine Ausnahme. Eben noch stapfte sein Söhnchen Stribor munter durch den Schnee von Sarajevo, wenige Schnitte später sieht man ihn ausgewachsen und 100 Kilo schwer ein Schlagzeug dreschen: Es ziert das No Smoking Orchestra, jene furiose Balkan-Band, die zuletzt durch Kusturicas "Schwarze Katze, weißer Kater" polterte und von Paris über Nizza und Berlin bis Rom längst die Konzertsäle erbeben lässt. Das Kunststück: Ironie und Energie explodieren hier in tausend Klänge, jagen Rhythmen vor sich her, die jede Gangart kennen und allem davonhasten. Eine Kultband. Höchste Zeit, ihr mit einem kleinen Film zu huldigen, zumal der Regisseur sich dort selbst als Bassist betätigt.

Und so beginnt der Versuch, Dokumentarisches mit Privatem zu vermischen. Bilder von Titos Begräbnis aus dem Fundus des jugoslawischen Fernsehens, Bilder vom ersten Übungsraum der Band. Ein bisschen Familie und zugleich die Europa-Tournee 1999 der Band inklusive all der albernen Backstage-Momente. Natürlich ringen die Musiker dabei um Profil, erzählen aus ihrem Leben, vom ersten Instrument, den Idolen und anderen Merkwürdigkeiten, doch alles purzelt wild durcheinander - eine Punk-Polka in Bildern für Eingefleischte. Immer wieder streut Kusturica Schnipsel aus seiner "Surreal Top List" hinein, politische Sketche aus früheren Tagen, bis das Porträt seiner Band immer kindischer und chaotischer erscheint. Töne in Moll fallen nur verhalten, etwa wenn Keyboarder Drazen von der Paranoia in seinem Kopf erzählt, die nur dann schweigt, wenn er wie ein Wilder musiziert.

Oder das Fazit von Akkordeonist Zoran, der in einem Boot von Ufer zu Ufer übersetzt, weil in seiner Heimat noch immer die Brücken fehlen: "Jugoslawien ist ein Land ohne Zeitplan, also versuche ich, die Zeit mit meinem Akkordeon zu töten und mich dabei davon zu überzeugen, dass ich ein wunderbares Leben führe." Dann beginnt man, ein bisschen zu verstehen, was sich noch alles hinter dieser Musik verbirgt. Und das schreit regelrecht nach einem anderen Format. CRISTINA MOLES KAUPP

fsk am Oranienplatz (OmU), Filmtheater am Friedrichshain

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false