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Susanne Mayers neues Buch - mit stilechtem Porträtfoto.

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Susanne Mayers neues Buch: Über die Kunst des stilvollen Alterns

Ein freundlicher Rückblick: In "Die Kunst, stilvoll älter zu werden" bilanziert Zeit-Feuilletonredaktuerin Susanne Mayer vergnüglich ein halbes Jahrhundert Familienpolitik, Feminismus und den seltenen Typus der "Grand-old-Schachtel".

So ein Miniaturporträt auf dem Buchdeckel verführt natürlich zu genauem Hinsehen. Was sind das für Taschen da, die eine schwarz und etwas kastig, die andere in verblasstem Terracotta-Ton, beide in Reichweite einer grazilen Frau in graumeliertem Kostüm? Lässig und zugleich damenhaft sitzt sie mit übereinandergeschlagenen Beinen auf den Stufen eines Repräsentationsbaus, Säulen im Hintergrund, viel Stein.

Eine dunkle Sonnenbrille verbirgt die Hälfte des Gesichts. Pagenkopf, rote Lippen, unverkennbar die Autorin selbst, Susanne Mayer. Ich als Stilikone, sagt die hübsche Vignette, wie eine Einstimmung auf den Grundton dieses gar nicht so schmalen Buchs über „die Kunst des stilvollen Alterns“. Selbstironie gehört ja unbedingt dazu, wenn es um Stil geht. Jedenfalls wenn man darunter jenes Zusammentreffen von „Weltgewandtheit, Bildung, Takt und Humor“ versteht, wie es einst Gunter Sachs beschrieb, dabei aber nicht vergessen hat, zwei andere „willkommene Paten“ guten Stils zu nennen: „Intelligenz und Geld“.

Von der Kunst des stilvollen Verarmens, einem Bestseller aus sternenferner Zeit, hielt der sicher nichts. Warum aber müssen wir jetzt auch noch stilvoll altern – wo doch, jedenfalls wenn wir Frauen jenseits des gebärfähigen Alters sind, sowieso keine Sau mehr guckt? „Mein Stil geht nicht auf Provokation, sondern auf Ich-Sein“, lässt Susanne Mayer einen ihrer Freunde bekennen, der sich weigert, bunte Kordhosen zu tragen, wie sie seit einiger Zeit unter gut situierten Intellektuellen verbreitet sind.

Ein Lob der Freundschaft und des Mitgefühls

Von Kleidung ist viel die Rede in diesem Buch, und manchmal, aber nur manchmal klingt die Aneinanderreihung erlesener Stoffe und Farben (taupe!) ein wenig nach der Prosa ambitionierter Moderedaktionen. Aber schön ist: Die „Zeit“-Feuilletonredakteurin Susanne Mayer schreibt – außer über ihr geliebtes Prada-Kostüm mit dem ausgefransten Saum, der ihr zur Metapher wird, vor allem über die Kleidung der anderen. Der von ihr verehrten und gefeierten Alten und ganz Alten, die sich vollkommen selbstverständlich über das Nicht-Gesehen-Werden hinwegsetzen, nicht als Konzept, sondern weil es ihnen entspricht. Schon immer. Dabei sind: Jeanne, eine Pariser Schmuckhändlerin, die „exzessiv viele“ Armreifen trägt, Karl (der Kordhosen-Hasser), Margarete, die hanseatische Dame mit Tweed-Hut und makellos weißen Strümpfen, und Lisl Steiner, Fotoreporterin, für Susanne Mayer Inbegriff des seltenen Typus der „Grand-Old-Schachtel“. Vivianne Westwood sei so eine, Diane von Fürstenberg, die israelische Sängerin Miri Aloni. „Grand old Schachteln sind Frauen, die mit Haltung die von ihnen hervorgeschürften Wogen überragen.“

Nicht immer handelt es sich dabei um vom Leben Begünstigte. Es ist vielmehr der Umgang mit Leid, Krankheit, Schmerz und Verlust, in dem die Grand Old Schachtel in ihrer ganzen Souveränität erkennbar wird. Aber die hat nichts von jener unerbittlichen Härte sich selbst und anderen gegenüber, mit der andere Junge und Alte ihre Zeitgenossen traktieren.

Susanne Mayer hat mit diesem Buch auch ein Lob der Freundschaft geschrieben, ein Zeugnis des Mitgefühls. Ergreifend berichtet sie vom frühen Sterben einer Berliner Freundin in noch jungen Jahren, nicht um das Alter moralisch als Gnade hervorzuheben, sondern weil es diesen Menschen gab. Ihre Erinnerungen und Reflexionen sind immer mit Begegnungen verwoben, auch dort, wo es um Politik geht, um die „Frauenfrage“, bei der sie „leicht unleidlich“ werde.

Messerscharfe Analyse

Im „Modus des freundlichen Rückblicks“ kann sie die Entwicklungen nicht sehen. „Ich blicke zurück auf ein halbes Jahrhundert familienpolitischer Diskussionen, aber was hat sich geändert? Nix. Sagen wir zu wenig.“ Messerspitzenscharf nimmt sie das neue Biedermeier wahr, sieht, wie junge Frauen in alte Fallen gehen, wie sie medienwirksam den Feminismus hassen und von der Sache mit dem Nebenwiderspruch noch nie etwas gehört haben.

„Deutschland armes Kinderland“ hieß Susanne Mayers erstes Buch, schon 2002 forderte sie darin, damals Literaturredakteurin der „Zeit“, bezahlte Elternteilzeit. Nix hat sich also wirklich nicht getan, eine halbe Generation später gibt es immerhin Kita-Anspruch und Elterngeld. Ganz so niederdrückend sieht die Bilanz des politischen Teils dieses „kleinen Lebens“ (Mayer) nicht aus. So viel Demut ist nun gar nicht „Grand old -Schachtel“-like. Aber dafür ist ja auch noch Zeit. „Der Hund altert ja schneller als ich. Er zieht sozusagen an mir vorbei ins Alter. Nun, manchmal ist es auch andersherum.“ Ein echtes Vergnügen, dieses Buch.

Susanne Mayer: Die Kunst, stilvoll älter zu werden. Berlin Verlag, Berlin 2016. 224 Seiten, 15,99 €.

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