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Kultur: Symbol gesucht

Ein stolzierendes "Prahl-Gebäude" wird es also nicht geben. Mit einer Geschichte New Yorker Protzarchitektur vom Postamt aus dem 19.

Ein stolzierendes "Prahl-Gebäude" wird es also nicht geben. Mit einer Geschichte New Yorker Protzarchitektur vom Postamt aus dem 19. Jahrhundert bis zu den Trump Towers kommentierte die "New York Times" am Sonntag erleichtert den sich abzeichnenden Konsens zur Neubebauung des World-Trade-Center-Geländes. Am letzten Donnerstag traten der neue Bürgermeister Michael Bloomberg und John C. Whitehead, der Vorsitzende der neuen Planungsgesellschaft zur Wiederbebauung des Geländes, vor die Presse und gaben bekannt, was die Beratungen bisher ergeben haben.

Konkrete Pläne oder Architektur-Entwürfe gibt es noch nicht, doch man ist sich einig, dass es eine Mischbebauung geben soll. Mehrere mittelgroße Bürogebäude zwischen 40 und 60 Stockwerken, ein Denkmal und eine öffentliche Nutzung in Form von Kultureinrichtungen oder Geschäften soll auf den rund 64 000 Quadratmetern des heutigen "Ground Zero" entstehen. Das hatte sich schon im November abgezeichnet, als der Hauptmieter des World Trade Centers, der Immobilienfinanzier Larry Silverstein sich mit Bloomberg getroffen hatte. Als eine seiner ersten Amtshandlungen bestätigte Bloomberg nun diese Kursvorgabe. "Jeder Planer, den ich getroffen habe, sagte, dass es vom wirtschaftlichen Standpunkt aus einfach unklug wäre, im Moment so grosse Bauwerke zu errichten," sagte Bloomberg. Weder gibt es eine ausreichende Nachfrage nach Büroflächen, noch erwartet man, dass allzu viele Mieter zur Arbeit in ein neuerrichtetes Top-Symbol für Terroranschläge kommen möchten. Und die Stimmungslage auf dem Gelände, auf dem noch immer täglich Leichen geborgen werden, lässt bei kaum jemandem Lust auf großspurige Höhenrekorde aufkommen. Tausende von Besuchern besichtigen die Arbeiten an Ground Zero zur Zeit von einer zu diesem Zweck errichteten Aussichts-Plattform aus und machen sich Gedanken zur Zukunft des Ortes.

Der als Held abgetretene Bürgermeister Giuliani war in seiner Abschiedsrede zum Jahreswechsel ins Lager der Bebauungsgegner gewechselt: "Wir sollten diesen Ort hier nicht mehr als Stätte wirtschaftlicher Aktivitäten verstehen." Angemessen sei nur eines: "Ein erhabenes, monumentales, wunderschönes Denkmal". Man möchte da gar nicht genauer wissen, an was Giuliani, Hobby-Fotograf der Skyline, denn so gedacht hat. Der nüchterne Geschäftssinn seines Nachfolgers wird da vielleicht auch ästhetisch Schlimmeres verhindern und nicht zuletzt gegen diese Äußerung Giulianis war die Pressekonferenz wohl auch gerichtet. Bloomberg versucht, die ersten Akzente seiner Amtszeit zu setzen, und der Kampf gegen Giulianis Schatten und Stil wird da sicher noch eine Weile im Vordergrund stehen. Sein Mitstreiter Whitehead bemerkte trocken, dass doch der Gehalt des Denkmals mindestens so wichtig sei wie seine Größe. Und man brauche in dieser städtischen Lage eben auch wieder kommerzielle Bebauung, die derzeitige Rezession werde ja nicht ewig anhalten. Bei der Konkretisierung dieser Mischfunktionspläne wird es sehr diplomatisch zugehen müssen, denn Interessen und Ansprüche gibt es viele.

Die Planungsgesellschaft "Lower Manhattan Redevelopment Corporation" etabliert gerade diverse Beratungsgremien. Vetreten sind Familien der Anschlagsopfer, Anwohner und lokale Einzelhändler, die großen Wall-Street-Firmen, der Geländepächter Silverstein, allerlei Baufirmen sowie eine Reihe von Kultureinrichtungen. Erst wenn diese Rahmenbedingungen genauer ausgehandelt sind, wird man die ersten konkreten Pläne sehen können. Das städtische und semantische Feld für die Architekten bleibt in New York natürlich enorm aufgeladen und komplex. Ein "Prahlgebäude" wäre sicher einfacher zu gestalten.

Ralph Obermauer

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