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Mythos Euphrat. Bei As-Sandaliya hat Mohamad Al Roumi 1990 diese Wassersammlerin auf einem Esel fotografiert.

© Mohamad Al roumi

Syrien-Ausstellung im Museum für Islamische Kunst: Bilder einer untergegangenen Welt

Vielfalt und Schönheit statt Schrecken und Zerstörung: Der syrische Fotograf Mohamad Al Roumi zeigt im Museum für Islamische Kunst Bilder seiner Heimat vor dem Krieg.

Unvorstellbar grauenhafte Bilder von Krieg und Zerstörung fallen einem gegenwärtig zu Syrien ein – oder jene Bilder von mittlerweile unerreichbar schönen syrischen Kulturstätten, wie sie derzeit nur mehr in üppigen Bildbänden wehmütig zu bewundern sind. Ein ganz anderes Syrien zeigt der Fotograf Mohamad Al Roumi in seiner Ausstellung „Kontrast Syrien“ im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum, die das Haus, unterstützt vom Auswärtigen Amt, gemeinsam mit dem Syrian Heritage Archive Project realisiert hat.

Im Treppenhaus zum Museum für Islamische Kunst zeigt Al Roumi große Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den Vorstädten von Aleppo und Damaskus. Vor allem die kleinen Metallwerkstätten, die Gießereien und Schmieden haben es ihm angetan, das Licht, der Staub, die Kontraste. Es sind Bilder, die der Tourist selten zu Gesicht bekam. Die Kunst der Improvisation spricht aus ihnen – etwa die einfache Werkstatt unter einem simplen Dach auf vier Pfosten, wo Chassis-Teile für Lkw zusammengeschweißt werden. Eindrucksvoll auch das Bild aus der armenischen Autowerkstatt, wo Vater und Sohn stolz dem Fotografen ins Auge blicken. Überhaupt, diese Blicke. Die Menschen sind stolz, fotografiert zu werden, es sind keine „gestohlenen Fotos“, aber auch keine inszenierten. Sie entstehen im Dialog mit den Menschen, die immer im Mittelpunkt stehen. Auf dem „Diebesmarkt“ in Damaskus verkaufen die Armen Kleinigkeiten, die sie nicht mehr benötigen, um wenigstens etwas Geld zu verdienen – oder sie sitzen beim Spiel zusammen. „Die großen Diebe sind nicht auf diesen Fotos“, bemerkt Al Roumi mit einem Augenzwinkern. Obwohl die Bilder zwischen 2008 und 2010 entstanden sind, scheinen sie zeitlos zu sein, denn eine einfache Metallwerkstatt sah in den siebziger Jahren auch nicht anders aus.

Im Buchkabinett des Museums zeigt Al Roumi das Kontrastprogramm: wunderbare Farbfotos aus dem nomadisch geprägten Nordosten Syriens mit seiner kulturellen und religiösen Vielfalt, der Steppenlandschaft der Jezzire und dem Dorf seines Vaters, der heutigen Kleinstadt Tell Abiyad, bis 2015 heftig umkämpft und nun wieder in kurdischer Hand. Im Sommer ist die Jezzire ausgebrannt. Als wollten sie all den Ocker- und Brauntönen etwas entgegensetzen, kleiden sich die selbstbewussten Frauen bunt, weben farbenfrohe Decken, mit denen sie ihre Zelte schmücken, während die Männer die dunklen Ziegenhaarbahnen für die großen Zelte herstellen.

Zu sehen sind auch die seit 5000 Jahren so gebauten Bienenkorbdörfer aus Lehmziegeln, die im Sommer kühlen und im Winter wärmen. Drei Frauen kehren mit Krügen auf dem Kopf zu ihren Lehmziegelhäusern zurück, ein Foto von 1978 – ebenfalls von zeitloser Schönheit und Gültigkeit. Max von Oppenheim hat solche Szenen in den 1930er Jahren ebenfalls im Norden Syriens fotografiert. Männer, Frauen und Kinder haben Vertrauen zu Al Roumi, sie schauen selbstsicher in die Kamera, er ist einer von ihnen, man kennt ihn und seinen Vater.

„Als ich nach dem Kunststudium die Malerei aufgab und mich der Fotografie widmete, bin ich zurück in die Landschaft meiner Kindheit gefahren , um das Leben dort zu fotografieren“, sagt der 1945 geborene Mohamad Al Roumi, der heute einer der bedeutendsten Fotografen Syriens ist und in Paris lebt. Er hat auch viel für archäologische Expeditionen fotografiert, unter anderem für das Deutsche Archäologische Institut.

Aber diese Bilder hier sind Erinnerungen an ein Land, das so nicht mehr besteht. Vieles von dem, was Al Roumi fotografiert hat, liegt seit 1999 auf dem Grund des Tischrin-Stausees nahe Aleppo. Al Roumi hat die Dörfer und die Menschen fotografiert, bevor der Wasserspiegel anstieg. Das fast mystische Bild einer Wassersammlerin am riesigen Euphrat zeigt schmerzhaft, was Syrien und die Welt verloren haben – Frieden für ein wunderbares Land.

Museum für Islamische Kunst, täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, bis 9. Oktober.

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