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Tabori-Preis: Arm und frei

Am Montag ist der erste Tabori-Preis vergeben worden. Im Berliner Ensemble konnten sich "herausragende Ensembles freier Theater- und Tanzschaffender" über die Auszeichnung freuen.

„George, wo bist du?“, ruft es aus dem Dunkel. „Alle warten auf dich!“ Der Abend beginnt also im Stile einer Séance, denn gemeint ist der verstorbene Theaterkünstler George Tabori, und um eines gleich vorwegzunehmen: Er zeigt sich nicht. Doch sein Geist ist trotzdem gegenwärtig. Eigentlich nimmt er mehr Raum ein als die leibhaftigen Künstler, die hier in seinem Namen geehrt werden sollen, die Gruppe norton.commander.productions und das Künstlerduo Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen.

Zum ersten Mal verleiht der Fonds Darstellende Künste den George-Tabori- Preis, und zwar an „herausragende Ensembles freier Theater- und Tanzschaffender“. Und wer sich zuvor gewundert hatte, ob das heilige Brechthaus, Taboris letzte Wirkungsstätte, der passende Ort für eine Off- Theater-Feier sei, der musste nicht lange auf das Grußwort Claus Peymanns warten. Im Tone des gut gelaunten Störenfrieds warnt Peymann davor, das sogenannte freie Theater für das anständigere zu halten. Der feixende Hausherr versichert, mit dem Ablauf der Veranstaltung nichts zu tun zu haben, der läge vollständig in den Händen „dieses Fonds“, von dem er noch nie gehört habe.

Günter Jeschonnek, Geschäftsführer der fraglichen Institution, die in 22 Jahren 2205 Projekte in 300 Kommunen mit 9,7 Millionen Euro gefördert hat, kontert mit dem Versprechen, man habe zwanzig Preisskulpturen geordert, also zwei Jahrzehnte Tabori-Ehrung stünden noch an, und danach wisse vielleicht auch Peymann, wer der Fonds sei. Apropos Skulptur: Die hat der Bildhauer Christian Peschke gestaltet, und was sie darstellt, nennt Jeschonnek „eine kräftige Frau“, die sicherlich auch Tabori gefallen hätte.

Schade, man kann in dem Moment nicht das Gesicht der grazilen Ursula Höpfner-Tabori sehen, die zuvor den berührenden Text „Rückkehr nach Deutschland“ ihres Ehemannes vorgetragen hat. Es ist dann Peter von Becker, Tagesspiegel-Kulturautor und Freund Taboris, dem in einer geist- und zitatreichen Festrede der Brückenschlag zu den ausgezeichneten Künstlern glückt. Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen, Spezialisten für deutsch-ivorische Performance-Begegnungen, zeigen einen Ausschnitt ihrer Produktion „Othello, c’est qui“ und erhalten den Förderpreis von 10 000 Euro. Harriet und Peter Meining, die Köpfe hinter der elektrisierenden, an der Schnittstelle verschiedener Genres agierenden Dresdner Gruppe norton.commander.productions, werden für ihr „sinnliches Denktheater“ mit dem 20 000-Euro-Hauptpreis geehrt. Peter Meining sagt dann einen schönen Satz, der in seiner schillernden Vieldeutigkeit den mehr als dreistündigen Festakt überdauert: „Tabori wusste, dass alles nur auf einer bestimmten Ebene der Betrachtung eine Bedeutung hat.“

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