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Kultur: Tag des Mauerbaus: Generation Stacheldraht

Während in den Berliner Clubs die Jugend ohne Geschichte auch am Sonntagmorgen noch ausdauernd die Gegenwart als einzige Zukunft feierte, traf sich eine andere Generation - nennen wir sie die Generation Stacheldraht - im Tränenpalast um über die Gegenwart der Vergangenheit zu sprechen. Die Herrschaften wären wahrscheinlich entsetzt gewesen über das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage vom Vortag unter dem Brandenburger Tor.

Während in den Berliner Clubs die Jugend ohne Geschichte auch am Sonntagmorgen noch ausdauernd die Gegenwart als einzige Zukunft feierte, traf sich eine andere Generation - nennen wir sie die Generation Stacheldraht - im Tränenpalast um über die Gegenwart der Vergangenheit zu sprechen. Die Herrschaften wären wahrscheinlich entsetzt gewesen über das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage vom Vortag unter dem Brandenburger Tor. Die hatte ergeben, dass von knapp zwei Dutzend Teilnehmern der Love-Parade ganze vier in der Lage waren, das Datum 13. August 1961 richtig einzuordnen.

Es tummeln sich nicht die hellsten Köpfe auf der Parade, das ist klar, da genügt ein Blick; trotzdem ist das Ergebnis irgendwie niederschmetternd. Insbesondere wenn man bedenkt, dass sich der Tag des Mauerbaus in drei Wochen zum vierzigsten mal jährt. Die Bundeszentrale für politische Bildung hatte den Tunnelbauer Hasso Herschel, den Bürgerrechtler und Mitbegründer von Bündnis 90 Wolfgang Templin, den ehemaligen Ost-Berlin Korrespondeten Peter Pragal, Bernd Eisenfeld von der so genannten Gauck-Behörde und den Journalisten Bodo Müller im Rahmen der Reihe "Blickpunkt Mauer - Im Gespräch" eingeladen, über "Opfer, Täter und Überwinder" der Mauer zu sprechen.

Täter saßen nicht auf dem Podium, so dass die Dissonanzen in der von dem Kulturwisenschaftler Paul Werner Wagner etwas behäbig moderierten Gruppe erst allmählich zu Tage traten. In Diskussion, die vom Deutschlandfunk auf MW und LW übertragen wurde, ging es zwar nicht um die mögliche Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin, aber das Thema war doch als Subtext vorhanden. Als es etwa aus Wolfgang Templin herausbrach, dass man jetzt für die Sünden der Vergangenheit bezahlen müsse, regten sich zum ersten Mal Emotionen bei den zahlreichen Zuhörern. Templin widersprach vehement der Auffassung, die Mauer sei die Bankrotterklärung der DDR gewesen, sie war vielmehr der vollgültige Ausdruck dessen, was die DDR war: ein Zwangsstaat.

Was jetzt passiere, sei der Versuch, die Ostdeutschen, die man nach der Wende ignoriert hatte, wieder einzubinden. Denn nach 1989 habe man sich auf die Eliten konzentriert und die Opfer irgendwie abgespeist. Warum? Als Folge der Entspannungspolitik der siebziger und achtziger Jahre, die die Eliten untereinander ausmachten.

Bernd Eisenfeld, der stets die Zahlen und juristischen Hintergründe zur Hand hatte, unterstützte die provokante These des Mahners Templin. Dabei wurde eines klar. In der Bundesrepublik wusste man man trotz Geheimdiensttätigkeit nie über die wahren Verhältnisse in der DDR Bescheid. Die wahre Bewusstseinslage der DDR-Bevölkerung blieb im Dunkeln. Die Entspannung war oben, nicht unten. Damit habe der Westen die DDR, die 1982 schon Pleite war, durch Subventionen und Vertrauenszuschüsse künstlich am Leben gehalten.

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