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Jens Mondalski, Christian Giese und Regine Seidler in "Tag Hicks oder fliegen für vier".

© david baltzer / bildbuehne.de

"Tag Hicks" im Grips-Theater: Etwas tobt in uns

Schnell, lustig, gut: Das Grips-Theater zeigt "Tag Hicks oder fliegen für vier", das erste Theaterstück der Berliner Autorin Kirsten Fuchs.

Da steht er, allein im Scheinwerferlicht. Ganz still. Nur die Stimmen, die vom dunklen Bühnenrand wispern, sind zu hören: Freust du dich nicht, dass du jetzt 12 bist? Freust du dich nicht, wenn die Oma kommt? Freust du dich nicht, wenn die Schule anfängt? Freust du dich nicht, dass du eine elektrische Zahnbürste bekommen hast? Freust du dich nicht, wenn deine Eltern wieder zusammen sind?

Lewin Hickelmann, genannt Hicks, freut sich nicht. Oder genauer gesagt: Er weiß nicht, was er fühlen oder denken soll. Fakt ist: Der Vater ist heute Morgen im Schlüpper aus dem Bad gekommen. Aber die Eltern sind doch seit Jahren getrennt? Nun hat ihm seine Mutter per SMS ein ernstes Küchentischgespräch angekündigt, zusammen mit dem Vater. Was wollen sie denn mit ihm besprechen – ihre wiederentdeckte Liebe? Igitt! Wie peinlich! Und überhaupt: Hat er nicht selbst genug Probleme? Zum Beispiel mit seinem Freund Janis, der immerzu seine Wadenmuskeln trainieren will und außerdem unglücklich in die kühle Friederike verliebt ist? Und nun hat Friederike ausgerechnet ihn, Hicks, heimlich um einen Gefallen gebeten. Worum es geht, will sie partout nicht sagen. Dann ist da auch noch die Neue in der Klasse, die komische Valerie, die ziemlich übel stinkt. Aber das darf man nicht offen aussprechen, haben die Erwachsenen verboten.

„Tag Hicks oder Fliegen für vier“ hat Kirsten Fuchs die Geschichte eines turbulenten Schultages genannt, die fünf wunderbare Schauspieler (Christian Giese, Esther Agricola, Jens Mondalski, Bärbel Schwarz und Regine Seidler) in rasanten 75 Minuten am Grips-Theater zum Leben erwecken. Es ist das erste Theaterstück der Berliner Schriftstellerin und Lesebühnen-Autorin – und was für ein Glück, dass Fuchs und das Jugendtheater sich endlich gefunden haben! Schon die Prosa der 38-Jährigen ist ein Fest: schräg, ironisch, verspielt, unterhaltsam und dabei schmerzhaft genau in der Beobachtung des ganz normalen Alltagsirrsinns. Auch „Tag Hicks“ ist schnell und lustig, nimmt Themen und Tonlage seiner Zielgruppe perfekt auf.

Kirsten Fuchs hat Gedanken über Liebe, Freundschaft, Anpassung in ihrem Stück untergebracht

Aber in dem Text, der im letzten Jahr den Berliner Kindertheaterpreis gewonnen hat, steckt noch viel mehr. Fuchs hat Gedanken über Liebe und Freundschaft untergebracht, über Anpassung und Einsamkeit, über Streit und Scheidungskinder. Das gibt dem Stück Gewicht und Tiefe. Trotzdem sind die Szenen so gekonnt komponiert, dass dem anspruchsvollen jugendlichen Publikum, das ja bekanntlich keine Sekunde Langeweile verträgt, die philosophische Mitgift gar nicht weiter störend auffällt. Abgesehen davon sympathisiert Fuchs so offensichtlich mit ihren Protagonisten, dass auch erwachsene Zuschauer sich hin und wieder ertappt fühlen. „Seid doch einfach mal normal, wie die Mädchen“, schreit ein Lehrer während des Sportunterrichts entnervt die raufenden Jungs an. „Wir sind aber keine Mädchen“, erwidert Hicks.

Die Inszenierung von Grete Pagan (ab zehn Jahren) setzt konsequent auf Rhythmus, Bewegung, Musik und schnelle Szenenwechsel. Kein schwerfälliges Bühnenbild hat die junge Regisseurin ihren Schauspielern in den Weg gestellt, nicht mal Stühle, Tische, Sofas. Nur ein paar Instrumente gibt es, ein Fahrrad, einen Föhn, ein Tuch. Das reicht, um Schulweg und Klassenzimmer, Pausenhof und Turnhalle anzudeuten. Den Rest trägt der grandiose Text. „In uns drin tobt was rum, und wir toben mit“, singen Hicks und Janis in einer Szene. „In uns drin tanzt die Kraft mit sich selbst. In uns drin sind Vulkanketten und Erdbebengebiete. Und wir? Wir brechen aus und beben.“

Grips-Theater, wieder: 8.4. u. 11./12.4., 10 Uhr

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