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Tagesspiegel Matinée zu Alma Mahler-Werfel. Es singt Fionnuala McCarthy.

© Mike Wolff

Tagesspiegel-Matinée zu Alma Mahler-Werfel: Witwe im Wahn

Sie war mit Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel verheiratet, komponierte Lieder, wurde verehrt und verabscheut. Alma Mahler-Werfel stand jetzt im Mittelpunkt einer Tagesspiegel-Matinée.

Alma Schindler, verwitwete Mahler, geschiedene Gropius, verwitwete Werfel, Geliebte von Oskar Kokoschka, Angebetete von Gustav Klimt und Gerhart Hauptmann: Es gibt vieles, was an dieser Frau fasziniert. Ihre Gabe, bedeutende Männer für sich einzunehmen, gehört dazu, ihr Talent als Gesellschaftsdame, auch ihr künstlerisches Wirken als Komponistin. Aber das größte Rätsel ist wohl: Wie kann eine Frau zweimal mit jüdischen Männern verheiratet sein, ständig mit Juden Umgang pflegen und trotzdem eine überzeugte Antisemitin sein?

Bei einer Konzert-Matinée im Tagesspiegel-Haus stand die „Witwe im Wahn“ – so der Titel der Alma-Biographie des Berliner Autors Oliver Hilmes – literarisch und musikalisch im Mittelpunkt. Biograph Oliver Hilmes las Passagen aus seinem packenden Buch, für das er als erster den Nachlass Alma Mahler-Werfels auswerten konnte. Pianist Scott Curry hatte dazu ein musikalisches Programm zusammengestellt, mit Liedern von Alma Mahler-Werfel selbst – sie hat etwa 100 Lieder komponiert, von denen nur 17 erhalten sind - , mit Liedern ihres ersten Liebhabers Alexander von Zemlinsky, von Gustav Mahler und Alban Berg bis hin zu unbekannten Werken der Komponisten Erich Zeisl und Georg Tintner, österreichisch-jüdische Komponisten, die zur Emigration gezwungen wurden. Die Sopranistin Fionnuala McCarthy (Deutsche Oper) sang, einfühlsam begleitet von Scott Curry, und begeisterte das Publikum mit ihrer bezaubernden Stimme und ihrem Charme.

Alma Mahler-Werfel  war Antisemitin

So kurzweilig und interessant sich Oliver Hilmes’ Texte über Almas bewegtes Leben lesen und so schön die Lieder sind, die sie komponiert hat oder die für sie komponiert wurden - das Unbehagen über ihren Antisemitismus bleibt. Immer wieder blitzt er in ihren Tagebucheintragungen auf: Alma bezeichnete sogar ihre eigenen Kinder aus der Ehe mit Gustav Mahler als „Mischlinge“, als „Bastarde“, nur die Tochter Manon aus der Ehe mit Walter Gropius, die als junges Mädchen starb, fand als „reiner, schöner Engel“ vor ihren Augen Gnade. Wäre sie nicht gerade mit dem Juden Franz Werfel verheiratet gewesen, als die Nazis Österreich einverleibten, wäre sie sicher in Wien geblieben und hätte Hitler, diesem „Genie an der Spitze eines großen Volkes“, gerne dabei zugeschaut, „wie er sieghaft über die Menschheit schreitet“. Stattdessen ging sie mit Werfel ins kalifornische Exil – und verärgerte ihn und seine Freunde mit Thesen wie der, die KZs seien lediglich „Erfindungen der Flüchtlinge“.

Buchcover zu "Witwe im Wahn"
Buchcover zu "Witwe im Wahn"

© Promo

Das hinderte sie jedoch nicht daran, in überwiegend jüdischen Kreisen zu verkehren und etwa im Hause des Komponisten Erich Zeisl ein- und auszugehen. Als Zeisl starb, drückte Alma der Witwe ihr Beileid aus: Ihr verstorbener Mann habe leider bei weitem nicht die Anerkennung gefunden, die er verdiente, schrieb sie in einem Telegramm im Jahre 1959. Dieses Telegramm von Alma hat die Tochter Erich Zeisls, die in Kalifornien lebt, im Vorfeld der Tagesspiegel-Matinée an Scott Curry geschickt – voller Freude darüber, dass ein Werk ihres Vaters aus diesem Anlass aufgeführt wird. Zum allerersten Mal aufgeführt wurden in der Matinée zwei Lieder des österreichischen Komponisten Georg Tintner (1917-1999), der nach Neuseeland und Australien emigrieren musste, ein flüchtiger Bekannter von Alma. Tintner hatte zu Alma eine eindeutige Meinung: Er fand sie „abscheulich“.         

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