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Kultur: Tante Marianne reist nach London

Die Londoner Contemporary Auktionen versprechen Höchsttemperaturen

Sofern die Kunstkäufer nicht zu sehr unter Börsenschock stehen, wird es bei den Contemporary Auktionen in London nächste Woche wieder heiß hergehen. Alles ist darauf abgestellt, die Preisspirale noch höher zu schrauben.

Gleich zwei Arbeiten sind für Höchstzuschläge programmiert: ein Triptychon von Francis Bacon bei Christie’s, das mit einem Kostenvoranschlag von 5 bis 8 Millionen Euro fast Rekordniveau besitzt. Wahrscheinlich wurde diese Einlieferung durch den sagenhaften Preis angelockt, den Christie’s für ein kleines Selbstporträt Bacons im Februar erzielte. Teuer dürfte auch David Hockneys „Splash“ werden. Da es nur drei dieser Swimmingpool-Gemälde gibt, den winzigen „Little Splash“ in einer kalifornischen Sammlung und den „Bigger Splash“, eines der beliebtesten Gemälde der Tate Galerie, ist dieses dritte auf 3 bis 4,3 Millionen Euro taxiert. Seit zwei Jahren schießen die Preise für Hockney nach oben. Das lockt nun die besten Gemälde auf den Markt.

Große Stücke setzt Sotheby’s auf Gerhard Richters „Tante Marianne“ aus einer deutschen Sammlung. Die 14-Jährige hält den Maler als Baby auf dem Schoß, in einer Pose, die der Katalog flugs mit einer Pietà gleich setzt. Dahinter verbirgt sich eine düstere Familiengeschichte. Tante Marianne wurde wenige Jahre später als schizophren diagnostiziert, in eine Nervenklinik eingewiesen, wo die Nationalsozialisten sie praktisch verhungern ließen. Ironie einer deutschen Familiengeschichte: Der zuständige Arzt wurde später Richters Schwiegervater. Ob das alles ein Bild mit der ahnungslosen Emotionalität eines Famlienfotos wertvoller macht? Die Schätzung von 2 / 2,9 Millionen Euro ist keineswegs übertrieben.

Ob Informel, ob Pop-Art: Offenbar gibt es nichts, was zur Zeit nicht gut läuft. Bei Sotheby’s wie Christie’s kann man in stiller Übereinstimmung sogar Exemplare des Beuys-Auflagenwerks „Rückenstütze eines feingliedrigen Menschen“ erwerben. Das Sotheby’s-Exemplar ist mit 120 000 / 180 000 Euro vorsichtiger geschätzt. Hinzu kommen die Maler der Stunde: Neo Rauch, Thomas Scheibitz, Eberhard Havekost, Daniel Richter, Matthias Weischer. Sie alle sind in strahlender Farbigkeit mit großen Arbeiten vertreten. Charles Saatchi hat aus seinem Spekulationsfundus Luc Tuymans „Maypole“ beigesteuert – auch hier mit rekordverdächtiger Taxe: 1,4 bis 1,8 Millionen Euro. Martin Kippenbergers „Untitled“ – ein beim Plakatmaler Werner bestelltes Gemälde, das den Künstler aus der Kneipe wankend zeigt – dürfte ebenfalls neue Preishöhen erreichen (Taxe 440 000 / 770 000 Euro): alles natürlich nur, wenn Sammler und Spekulanten die Nerven behalten.

Matthias Thibaut

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