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Kultur: Tanz auf dem Vulkan

Ein

von Gregor Dotzauer

Wenn man es sich einfach machen wollte, müsste man nur die Arbeitswelten gegeneinander ausspielen: Wollt ihr Hartz IV – oder lieber in der Ukraine durch halbmeterhohe Schächte illegaler Kohleminen kriechen? Wollt ihr auf Sonntagszuschläge verzichten – oder in den beißenden Vulkandämpfen des indonesischen Kawa Ijen Schwefel abbauen? Wollt ihr später in Rente gehen – oder im nigerianischen Port Harcourt durch das Blut geschlachteter Ziegen und Kühe waten, um die Tiere anschließend aufs Röstfeuer zu wuchten? Wollt ihr einen liberaleren Kündigungsschütz – oder fern der Familie auf einer pakistanischen Werft unter Einsatz eures Lebens abgewrackte Tanker auseinander schweißen?

An all diese Orte entführt der zwischen Dokumentation und Essay changierende Film des Österreichers Michael Glawogger, „Workingman’s Death“ (www.workingmansdeath.com). Aber trotzdem zielt das „Arbeiterepos des 21. Jahrhunderts in fünf Bildern“ weder auf den Vergleich noch auf die Anklage. Vielmehr versucht der Film, einer Idee von körperlicher Arbeit und deren Würde nachzuspüren, die es in den entwickelten Industriestaaten längst nicht mehr gibt. Und so verläuft auch die morgendliche Diskussion nach der gestrigen Vorpremiere der zu den Filmfestspielen Venedig eingeladenen Produktion im Berliner DelphiKino nicht, zu der Franz Müntefering und Michael Sommer, die Vorsitzenden von SPD und DGB, geladen haben.

Es mag nur die eine Seite der Wahrheit sein, dass sich Deutschland auf den Weltmärkten gegen die Hungerlohnheere in der Dritten und Vierten Welt nur mit Bildung, Produktivität und Hochtechnologie behaupten kann und Verzicht auf soziale Garantien und wirtschaftliche Privilegien nicht hilft. Aber es ist auch gut, den Gewissensreflexen nicht sofort nachzugeben und die kulturellen und historischen Unterschiede mitzubedenken. Müntefering erinnert daran, dass die befriedete, halbwegs sichere deutsche Grubenwelt eine noch gar nicht so alte Errungenschaft sei: Da genüge ein Blick in die Zechenromane Max von der Grüns.

Wie schnell aber das Elend der Binnenmärkte zum globalen Problem werden kann, weiß Michael Sommer. Er denkt an die kolumbianische Blumenpflückerin, deren Arme von Pestiziden zerstört sind: Die Europäer kaufen ihrer Hände Arbeit.

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