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Kultur: Tanz den Strawinsky

Der Geist von Simon Rattle: „Rhythm is it“ – ein Dokumentarfilm über die Berliner Philharmoniker

Ein Film über den Auftakt der Simon-Rattle-Ära bei der Berliner Philharmonikern hätte ganz einfach gestrickt sein können: charismatische Proben, frohe Kritikerstimmen, nachdenkliche Altmusiker, entflammte Neuzugänge. Blitzlichter, Rollfelder, Konzerthallen, Beifallsstürme. Fertig wäre ein blitzblankes Produkt, das auch der Klassikfreund in Tokio gerne guckt.

Mit ihrer Dokumentation „Rhythm is it“ gehen Thomas Grube und Enrique Sanchez Lanz einen anderen Weg. Sie sind fasziniert von dem Geist, der mit Sir Simon in die Philharmonie eingezogen ist – und nicht in einem goldenen Käfig gefangen sein möchte. Doch Kunst soll ohnehin kein Luxus sein, meint Rattle: „People need it like the air they breathe und the water they drink.“

Davon wissen die Kids in Weißensee wenig. Und viele von ihnen wissen noch nicht mal, ob sie es überhaupt wissen wollen. Coole Hauptschüler, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen verstohlen einen Lolli. Flüchtige Wesen vom Plattenbau, irgendwo zwischen unsicher ausgestelltem Erwachsensein und hastig abgeräumter Kindheit. Sechs Wochen später werden diese Kids tanzen, zu den Klängen von Igor Strawinskys „Le Sacre du printemps“, Simon Rattle dirigiert, 3000 Menschen schauen in der Arena zu. Wie dieses erste große Education-Projekt der Philharmoniker beginnt, welche Wege zurückgelegt werden müssen und welche Begeisterung es entfacht – davon handelt „Rhythm is it“.

Die Regisseure lassen keinen Zweifel daran, dass sich alle Beteiligten auf eine höchst emotionale Reise begeben. Ihr Blick auf Berlin entkleidet die Stadt ihrer letzten Kuschelkiezfetzen, spannt einen kalten Bogen über die Metropole, die erst dann zur Heimat wird, wenn man sich einen Platz in ihr erkämpft hat. Selten sah Berlin so universell aus, so sehr wie London oder New York.

Am Straßenrand hält ein alter britischer Postbus. Der Choreograf Royston Maldoom und sein Team begeben sich in eine Schulturnhalle, aus der Wogen des Lärms schlagen. Jahrzehnte lange Erfahrung in social art treffen auf einen multikulturellen Schülerhaufen, den die Lehrer meist nicht mal schreiend disziplinieren können. Für Maldoom steht fest: Ohne Konzentration, ohne Ruhe, ohne Körperspannung finde ich nicht zu meinem Ich und zu meiner Kraft. Er weiß aber auch, dass er als Kind nie einem Erwachsenen getraut hat. Mit welcher Hartnäckigkeit und Energie das Team sein Ziel verfolgt, berührt – und verunsichert auch: Die Lehrerinnen fühlen ihre Schüler zu heftig angegangen. Für Maldoom ist das ein Lob.

Drei der 250 Jugendlichen zeigen die Filmmacher genauer: Olayinka, der allein in ein fremdes Land gehen musste, nachdem seine Eltern in Nigeria ermordet worden sind. Marie, die ihre Neugier hinter Gleichgültigkeit verbirgt. Martin, der jede Berührung zu vermeiden sucht. Sie alle verändert die gemeinsame Arbeit mit Simon Rattle: Eine Tür öffnet sich.

Heute 11 Uhr (Zoo Palast), Freitag 21.20 Uhr (CineStar 2)

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