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Kultur: Tanz und Erinnerung

Olga de Soto mit Jooss’ „Grünem Tisch“ im HAU.

Von Sandra Luzina

Mit seinem Antikriegsballett „Der grüne Tisch“ erlangte Kurt Jooss Weltruhm. Nachdem es 1932 in Paris Premiere gefeiert hatte, wurde das epochale Werk von zahlreichen Kompanien aufgeführt. Bis heute gilt es als Inbegriff eines politisch engagierten Tanztheaters. Olgo de Soto, der es in ihren Arbeiten um das Gedächtnis des Tanzes geht, forscht schon länger über den „Grünen Tisch“. Die Spanierin war mit ihrer Recherche „Débords. Reflections on The Green Table“ nun im HAU 2 – zusammen mit Susanne Linke und Reinhild Hoffmann, die auf ihre Weise das Erbe von Jooss fortgeführt haben. De Soto hat für ihr Projekt nicht nur Tänzer befragt, die mit Jooss gearbeitet haben. Ausführlich lässt sie auch Menschen zu Wort kommen, die den „Grünen Tisch“ zu unterschiedlichen Zeiten gesehen haben. Das expressionistische Werk, das die Anstifter und Profiteure des Krieges anprangert, hat sie alle aufgewühlt – und so schildern die älteren Damen und Herren nicht nur lebhaft diesen grotesken Totentanz, auch ihre eigene Haltung zu Krieg und Faschismus kommt zum Ausdruck. Wie sich aus diesen bisweilen auch widersprüchlichen Erinnerungen langsam ein Bild zusammensetzt, ist spannend. Die Namen der Zeitzeugen erfährt man aber nicht – was respektlos anmutet.

De Soto zeigt keine einzige Szene aus dem Ballett. Es geht allein um die mündliche Überlieferung – da ist sie fast schon dogmatisch. Auch über die Auswahl der O-Töne ließe sich streiten – der zeitgeschichtliche Aspekt hätte noch mehr vertieft werden können. 1933 verließ Jooss Deutschland – aus Protest gegen das Arbeitsverbot seiner jüdischen Kollegen.

Leider wollte de Soto ihrer „Inszenierung“ unbedingt einen künstlerischen Anstrich geben: Die Tänzer haben allerdings nicht viel mehr zu tun, als die drei Leinwände hoch- und runterzuziehen oder bedeutungsvoll über die Bühne zu schreiten. Sie sollen wohl mit ihrer leiblichen Präsenz dafür einstehen, dass die Erinnerung nicht abbricht.

Ein wichtiges Projekt, doch das Hinzugefügte lässt den Abend seltsam prätentiös erscheinen. Sandra Luzina

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