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Kultur: Tanz und Kabarett in Berlin: Die Tagebücher Jesu

Ein Mann will nach Berlin. Im Kölner Bahnhof liest er: "Johann Köhnich ist doof - auf Gleis 7".

Ein Mann will nach Berlin. Im Kölner Bahnhof liest er: "Johann Köhnich ist doof - auf Gleis 7". Er stutzt, schaut noch mal, die Schrift ist weg. So stand er nun auf der Kalkscheunenbühne (weitere Termine in der Bar jeder Vernunft: 11. , 12. 1. , 23 Uhr 30) und eröffnete sein Programm "Johann Köhnich ... liest, singt und macht." Ein schüchterner junger Mann mit fast monotonem Singsang. Bewegt sich kaum, vertraut ganz auf Stimme und Mimik. Lächelt unverbindlich, manchmal zeigt sich trauriges Stirnrunzeln. "Wer hätte das gedacht", sagt er, "vor 20 Jahren, dass wir uns hier heute zusammenfinden." Das ist sein Humor. Köhnich erzählt Familiengeschichten, Szenen des morgenlichen Erwachens mit einer blinden Taube. "Ich bin Zwilling. Mein Bruder wurde kurz nach mir geboren, nach Mitternacht. Ein anderes Sternzeichen. Er ist Krebs. Wenn Leute mich fragen: Seid ihr Zwillinge, sage ich: Nur ich, er ist Krebs." Köhnich ist auch rührend: Ab und zu zückt er verschämt ein Heft und liest vor. "Draußen wird es kalt und kälter, und wir werden alt und älter." Das größte Heft sind die Tagebücher Jesu. Die will er dem "Stern" anbieten - "mit einem Schwarz-Weiß-Foto. Ich bin doch nicht blöd." Und Köhnich singt, begleitet vom Gitarristen Dr. Paul. Mit brüchiger Stimme auf Melodien wie "Ein bisschen Frieden" oder "Über den Wolken". Dabei liegen seine Töne grundsätzlich leicht neben den richtigen. Beifall, Gelächter. Köhnich "liest, singt und macht - Pause", teilt der "Poet unter den Komikern" im rechten Moment mit. Der zweite Teil des Abends gewinnt deutlich an Dichte.

Inka M. Lehmann

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