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Fünf Tage lang Gemeinschaft. Der Tanzkongress 2019

© Klaus Gigga / Tanzkongress 2019

Tanzkongress in Dresden: Esoterik extrem

Die renommierte Choreografin Meg Stuart leitet den Tanzkongress in Dresden-Hellerau. Doch sendet die Veranstaltung die richtigen Signale aus?

Von Sandra Luzina

Tänzer müssen eine glückliche Spezies sein. Zumindest die, die an dem Tanzkongress teilnehmen, der am Mittwoch in Dresden-Hellerau eröffnet wurde. Denn sie können fünf Tage lang im Gemeinschaftsgefühl baden und an diesem historischen Ort von der Utopie träumen. Zum ersten Mal wurde eine Künstlerin mit der Leitung des Kongresses beauftragt. Meg Stuart ist eine international renommierte Choreografin, auch in Berlin aktiv – und so war der Kongress schon nach gut einem Tag ausgebucht.

Die Bedingung für die Teilnehmenden lauteten: Sie müssen diese fünf Tage bleiben und sich ganz einlassen, sich mit Leib und Seele einbringen. „Extreme Präsenz“ wird verlangt, so heißt es auf der Website. Ein Programm wurde nicht veröffentlicht, was dem Ganzen etwas Geheimbündlerisches gibt. Mehr als 500 Tanzschaffende aus 30 Ländern nehmen an dem Treffen teil, das den Titel „A Long Time Affair“ trägt.

Die Tradition der Tänzerkongresse geht auf die zwanziger Jahre zurück und wurde 2006 von der Bundeskulturstiftung wiederbelebt. Die diesjährige Veranstaltung wird mit 960 000 Euro finanziert, die Landeshauptstadt Dresden steuert weitere 95 000 Euro bei. Auch das Goethe Institut unterstützt die Zusammenkunft. Es hat zuvor schon „Salons“ in New York, Bogotá, Madrid, Helsinki und Neu-Delhi organisiert.

Meg Stuart betont, dass es ihr bei dem „gathering“ um eine gemeinschaftliche Erfahrung gehe, die von „listening“, „transformation“ und „agreement“ geleitet sei. Und dass hier eine spekulative Praxis erprobt werden soll. Dabei bezieht sie sich auf die Utopie von Hellerau wie auch auf die Künstlerkolonie von Monte Verità zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die mit alternativen Lebensformen experimentierte.

Die Teilnehmer werden Rituale vollziehen, Körperpraktiken erproben, sich in Ekstase tanzen, Pflanzen sammeln, alternatives Wissen weitergeben und an ihrer Heilung arbeiten. Hellerau zieht Träumer, Freigeister, Esoteriker und tolle Künstler an. Viele, die das Tanzgeschehen schreibend und reflektierend begleiten, werden aber nicht nach Dresden-Hellerau reisen.

Es ist sicher eine feine Sache, fünf Tage lang Gemeinschaft zu performen, friedlich zu kommunizieren und das Ganze zur sozialen Choreografie zu erklären, wenn man so etwas mag. Doch welche Impulse gehen von diesem Tänzerkongress aus? Einen Publikumstag wird es auch geben. Doch vor allem dringt die Botschaft durch, dass die Tänzer lieber unter sich bleiben wollen. Die Bundeskulturstiftung muss sich fragen lassen, ob dieser Tänzerkongress, der erstmals seit 1927 wieder in Ostdeutschland stattfindet, nicht das falsche Signal aussendet. In Zeiten wie diesen müssen breite Bündnisse geschmiedet werden.

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