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Kultur: Tastentiger

SOTTO VOCE Jörg Königsdorf über ein Jubiläum und eine Rückkehr Wenn er je nach Berlin zurückkehren würde, hat Fazil Say einmal behauptet, dann nur zu den Philharmonikern oder zum Deutschen SymphonieOrchester – darunter würde er es nicht machen. Der Grund für diese selbstbewusste Prophezeihung ist ein persönlicher: Bevor der türkische Klavierstar vor einigen Jahren in die Top Ten der Pianistenzunft aufschoss, fristete er in Berlin ein reichlich freudloses Dasein: hielt sich mit einem mageren Lehrauftrag über Wasser, schrieb Musik, die keiner hören geschweige denn drucken wollte, und verschwand schließlich quasi über Nacht.

SOTTO VOCE

Jörg Königsdorf über

ein Jubiläum und eine Rückkehr

Wenn er je nach Berlin zurückkehren würde, hat Fazil Say einmal behauptet, dann nur zu den Philharmonikern oder zum Deutschen SymphonieOrchester – darunter würde er es nicht machen. Der Grund für diese selbstbewusste Prophezeihung ist ein persönlicher: Bevor der türkische Klavierstar vor einigen Jahren in die Top Ten der Pianistenzunft aufschoss, fristete er in Berlin ein reichlich freudloses Dasein: hielt sich mit einem mageren Lehrauftrag über Wasser, schrieb Musik, die keiner hören geschweige denn drucken wollte, und verschwand schließlich quasi über Nacht. Die letzte Miete für seine Wohnung in der Schöneberger Monumentenstraße wurde von ihm nicht mehr beglichen.

Dass der in Ankara aufgewachsene Say dann in den USA sein Glück machte, rundet die Geschichte zu einer filmreifen Story ab, wie man sie sonst nur noch aus den Künstlerviten des 19. Jahrhunderts kennt: Nach Aufsehen erregenden Wettbewerbsgewinnen und einer ersten Mozart-CD, die die für Klassik-Verhältnisse magische 100000er-Verkaufsgrenze übersprang (und nebenbei zur meistverkauften Klassik-CD der Türkei avancierte), nahm Warner den Jungstar unter seine Fittiche und ließ weitere CDs von Gershwin bis Tschaikowsky folgen. Says eigentliche Stärke liegt freilich gar nicht so sehr im „großen Repertoire“, sondern im Improvisieren: Sobald er sich ans Klavier setzt, scheinen die Einfälle nur so loszusprudeln, scheint es, als ob er am liebsten spontan ganz anders weiterspielen würde, als es der Notentext nun einmal vorsieht.

Dieser improvisatorische Reiz kommt allerdings nicht zum Tragen, wenn man auf ein Orchester Rücksicht nehmen muss. Von daher ist es gar nicht schlecht, dass Says Rückkehr nach Berlin nicht im Rahmen eines Philharmoniker-Konzerts, sondern im Alleingang stattfindet. Anlässlich ihres 150. Geburtstags veranstaltet die Klavierfirma Bechstein am Samstag im Kammermusiksaal einen Soloabend mit dem Jungstar. Dass nach einer Haydn-Sonate, Ravels Sonatine und einer Eigenkomposition des Interpreten schließlich Liszts h-Moll-Sonate den krönenden Abschluss bilden wird, versteht sich dabei von selbst: Immerhin begann mit der Uraufführung dieser berühmtesten aller Klaviersonaten vor 150 Jahren nicht nur die Geschichte des modernen Klavierspiels, sondern auch die Geschichte der Bechstein-Flügel.

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