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Tatjanas Gromacas Prosadebüt „Eines Tages“: Der Krieg hört nie auf

Neugierig und wach: Tatjanas Gromaca erzählt in ihrem ersten Prosaband „Eines Tages“ von den Irritationen und Glücksmomenten ihrer Kindheit in Kroatien.

Alles setzt sich zusammen aus kleinen Episoden, Wahrnehmungen, Geschichten. Am Ende wird daraus ein Leben. Tatjana Gromacas Buch „Eines Tages“ beginnt in der Kindheit, auf dem Land in Kroatien; erzählt wird mit wachem, neugierigem Blick. Realistische Alltagsszenen, unterteilt in kurze Kapitel: Wie der Nachbar Mika der Familie einen Hund schenkt, Miki genannt; Erinnerungen an den weihnachtlichen Besuch in der Stadt; an die bucklige Oma im Dorf und die andere Großmutter, die eine weite Zugfahrt entfernt in einer „ganz anderen Gegend“, in Serbien, wohnt.

Wie in einem Fotoalbum sind die Bilder der Kindheit in dieses Buch eingeklebt. In jedem Bild steckt eine banale Geschichte, jede Geschichte kann sich in etwas Zauberhaftes verwandeln. Die 1971 geborene kroatische Autorin erzählt in ihrem ersten Prosaband von den Irritationen und Glücksmomenten einer Kindheit und Jugend, dabei kleine Schnipsel aus dem Kontinuum der Zeit herausschneidend. Und sie erzählt lakonisch, mit einer spürbaren Traurigkeit vom Erwachsenwerden, von winzigen und sehr existenziellen Einschnitten.

Der große Bruch kommt mit dem Krieg. Gromaca beschreibt nicht die Ursachen. Auch nicht die historischen Auswirkungen des Konfliktes, der plötzlich da ist, wie eine Naturgewalt. Sie erzählt davon, wie die Dinge des Lebens zerbersten. Sie schildert, wie der Krieg auf die Menschen und ihre Träume wirkt, wie er aus Freunden Feinde macht, Gräben zieht zwischen Religionen und Regionen. Die Erzählerin wächst heran, sie geht zur Schule, studiert in einer größeren Stadt.

Der Krieg, so fern er sein mag, wird zu einer körperlichen Erfahrung. Er bedeutet eine Verstörung, die das Denken, die Gefühle und das Handeln bestimmt. Die Erzählerin stürzt sich ins Leben, hat Liebhaber, und sie denkt nicht an die Zukunft. Das Nachtleben blüht, die Vergnügungen werden zu verzweifelten Versuchen, der Realität zu entfliehen. Und doch sieht man den Gästen in den schummrigen Cafés die Lebensmüdigkeit an, ihre Augen „voll schwermütiger Ermattung, wie die Blicke der Tiere in den Käfigen im Zoo“.

Selbst die Liebe hat nichts Leichtes mehr, sondern erscheint wie ein verzweifelter Akt, utopielos und nur dem Augenblick verpflichtet. Der Freund der Erzählerin wird eingezogen, er muss an irgendeine Front. Dass der Krieg hier dennoch abstrakt bleibt, es keine Schuldzuweisungen, keine Parteien gibt, macht Tatjana Gromacas Buch umso wahrhaftiger und allgemeingültiger. „Eines Tages“ ist das Porträt einer verloren gehenden jungen Frau und einer lost generation, es ist düster und poetisch zugleich: der Nachhall eines Krieges, dessen Verheerungen bis heute spürbar sind.

Tatjana Gromaca: Eines Tages. Aus dem Kroatischen von Fabjan Hafner. Edition Korrespondenzen. Wien 2014. 158 Seiten. 19 €.

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