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Kultur: Tatort Bagdad

Ein

von Christian Schröder

Gestorben wurde im Fernsehen schon immer: beim Shootout am Ende eines Western, in Katastrophen, Splatter- und Kriegsfilmen, sogar in der bieder-behaglichen Krimi-Konfektion von „Derrick“ oder „Der Alte“. Die Menschen, die da starben, waren Schauspieler, ihr Tod bloß ein Spiel. Diesen Trost der Fiktionalität hat das Fernsehen verloren. Inzwischen liefern die Nachrichten- und Reportageprogramme den größten Horror: reales Sterben.

Sonntagabend im ARD-„Weltspiegel“: Ein Reporter begleitet eine amerikanische Spezialeinheit bei einer Patrouille durch Bagdad. Die Haifa Street gilt als Feindesland, hinter den verrammelten Türen, vermuten die Soldaten der 82. Airborne, könnten sich Terroristen verbergen. Ein Iraker hat das Pech, im falschen Moment am falschen Ort zu sein. Er sitzt in einem Auto und ist eine potenzielle Gefahrenquelle. Die Amerikaner erledigen die Gefahrenquelle mit einem gezielten Kopfschuss. Sie durchsuchen das Auto, finden aber keine Waffe.

Der Tod des Irakers: Collateral Damage, ein ziviles Abfallprodukt des Krieges. Er ist nicht sofort tot, der Mann liegt schwer verwundet auf dem Fahrersitz. Die Fallschirmjäger zerren ihn auf die Straße, lassen ihn lange ohne medizinische Versorgung auf der Straße liegen, dann werfen sie ihn wie einen Sack auf einen Holzkarren. „Der hat sich vollgepisst, ich hasse das“, ekelt sich ein Soldat. Auf dem Weg zum Lazarett stirbt der Iraker. Ob sie auch auf Kinder schießen würden, will der Reporter nach dem Einsatz von der Truppe wissen. „Ich würde auch auf Affen schießen“, antwortet einer. Das Schlimmste an den Toten in den Fernsehnachrichten ist nicht, dass wir ihnen beim Sterben zusehen. Das Schlimmste ist, dass wir uns an ihren Anblick zu gewöhnen beginnen. Im Anschluss zeigte die ARD Fußball und einen „Tatort“ mit Eva Mattes.

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