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Die Chemie stimmt. Oliver Mommsen als Greg in „Lieber schön“.

© Barbara Braun

"Tatort"-Schauspieler Oliver Mommsen in Berlin: Ein Stück auch für "Fernsehfuzzis"

Gewöhnlich ermittelt der Schauspieler Oliver Mommsen im Bremer „Tatort“. Jetzt spielt er in der Komödie "Lieber schön" am Kurfürstendamm.

Blaues T-Shirt, Unterhose, so kommt Oliver Mommsen auf die Bühne. Es ist die Fotoprobe von „Lieber schön“, einer Komödie von Neil LaBute, die an diesem Sonntag in der Komödie am Kurfürstendamm Premiere feiert. Spielen für die Fotografen: Es ist pure Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit, endlich vor Publikum aufzutreten. „Wir kommen aus der Laborsituation Probenraum. 28 Tage sind wir nur unter uns, ganz ohne die Öffentlichkeit. Da ist man hungrig auf Feedback“, sagt Mommsen nach der Probe.

Der Hunger macht sich auch auf der Bühne bemerkbar. Mit großem körperlichen Einsatz rauft, schreit und klettert der 46-Jährige über die minimalistisch gehaltene Bühne – zwei Sitzwürfel reichen. Oliver Mommsen spielt Greg, den Angestellten eines amerikanischen Konzerns, sein Schutzanzug lässt eine Chemiefabrik erahnen. Steph – die ebenfalls aus Funk und Fernsehen bekannte Tanja Wedhorn –, seine Freundin, ist Friseurin, sie ist aufgebracht. Greg hat doch tatsächlich zu einem Freund gesagt, dass sie nur ein „normales“ Gesicht habe, kein hübsches. Eine scheinbare Lappalie, die zum handfesten Beziehungsstreit wird.

Der Schauspieler macht sich über sich selbst lustig

Es ist nicht das erste Mal, dass Mommsen in einem Stück von Neil LaBute mitwirkt, das Regisseur Folke Braband für die Ku’dammbühnen inszeniert. Das Theater ist ein Zuhause für ihn, sagt er. Die Akustik sei perfekt auch für ein leises, nicht raumfüllendes Sprechen, wie es sonst die Kamera verlangt, und somit auch für „Fernsehfuzzis“ wie ihn optimal geeignet. Zu so viel Selbstironie ist nicht jeder Schauspieler fähig.

Bereits im Februar 2012 hatte der gebürtige Düsseldorfer in LaButes „Fettes Schwein“ einen chauvinistischen Charakter gespielt, ähnlich wie jetzt in „Lieber schön“. Das Publikum muss in den zwei Stunden Spielzeit einiges aushalten. Beide Stücke verhandeln Beziehungsgeschichten und sexuelle Eskapaden in einer dermaßen schnellen, teilweise brutalen Diktion, dass Oliver Mommsen nicht einschätzen mag, wie das Berliner Stammpublikum darauf reagiert. „Es ist kein typisches Stück für dieses Haus. Es geht übers Zotige weit hinaus. Das kann uns auch um die Ohren fliegen.“

Doch gerade solche Stücke braucht es seiner Ansicht nach, um das Boulevardtheater lebendig zu halten. Dort sei das Publikum dankbar und erwarte einen amüsanten Abend. „Wenn man Menschen erreicht, die diese Schnelligkeit wertschätzen, kann man sich auch ein neues Publikum erarbeiten. Boulevard muss ja nichts Angestaubtes sein.“

Apropos angestaubt. Auch der „Tatort“ soll mit allen Mitteln relevant und frisch gehalten werden. Darum werden immer neue Formate, Charaktere und vor allem Darsteller ausprobiert. Mommsen jedoch gehört zu den Stammermittlern. Seit 15 Jahren spielt er den impulsiven Kommissar Nils Stedefreund im Bremer „Tatort“. Darüber spricht er voller Freude, erzählt von Bremen und seinen „lässigen“ Bewohnern. Wobei er das Fernsehpublikum als kritisch kennt – und hoch emotional. Gelegentlich kommt es vor, dass der in Kreuzberg lebende Schauspieler am Montagmorgen in der U-Bahn angeschrien wird, wie „scheiße“ der gestrige „Tatort“ doch war. Zumeist entgegnet er dann, dass er da gar nicht mitgespielt habe. Das Team Bremen hat nur zwei Mal im Jahr einen Fall aufzuklären, zuletzt im Juni 2015.

Den Hype um die Krimiserie kann er verstehen. Wenn man sich jeden Sonntagabend trifft, um gemeinsam einen „Tatort“ zu schauen, sei das „wie eine enge Beziehung“, und die kann auch mal durch Krisen gehen. Und der kontrovers diskutiere Hamburger „Tatort“ mit Til Schweiger zum Jahreswechsel? „Kein Wort“, sagt Oliver Mommsen lachend.

Seine Fernsehkarriere begann 1998 mit dem umstrittenen Melodram „Die heilige Hure“, einem Film über Kirche und Sexualität. Seitdem hat er in vielen Produktionen mitgewirkt. Was ihn als Schauspieler antreibt? „Die nicht versiegende Neugier.“ Die hat er von seiner Großmutter geerbt, die bis ins hohe Alter aufgeschlossen und wissbegierig war. Weniger beeinflusst hat ihn sein Ururgroßvater, der Historiker Theodor Mommsen. „Mit ihm werde ich eigentlich nur in Interviews konfrontiert.“ Geht ja nicht anders, schließlich liegt die Mommsenstraße gleich um die Ecke vom Theater.

Die Ausstattung eines Projekts hat für seine Rollenauswahl keine Bedeutung. Ein großes Budget sei nett, aber nicht ausschlaggebend. „Ich komme aus dem Off-Theater. Da waren die finanziellen Begrenzungen groß, aber die Not wurde zur Tugend gemacht. Das ist befruchtend und toll.“ 1992 arbeitete er unter dem Regisseur Stefan Bachmann am „Theater Affekt“, das von Studenten der Freien Universität Berlin gegründet wurde und ohne festes Haus auskam. Inzwischen kann Mommsen es sich leisten, ein Drehbuch auch mal abzulehnen. Die sonstigen Gagen ermöglichen es ihm, auch mal Low-Budget-Filme zu drehen. Gleichzeitig ist Mommsen froh, „dass wir beim ,Tatort‘ Räuber-und-Gendarm auf finanziell hohem Niveau spielen können“.

Mit "Gut gegen Nordwind" kehrte Mommsen ans Theater zurück

Dass er nach 20 Jahren vor der Kamera noch mal auf der Bühne landen würde, ist keine Selbstverständlichkeit. Als er 2010 das Zweipersonenstück „Gut gegen Nordwind“ in der Komödie am Kurfürstendamm spielte, erlebt er dies als Glücksfall, wie die Rückkehr ans Theater überhaupt. Die Arbeit biete trotz des engen Korsetts eines durchgetakteten Tagesplans – „Boulevardproben sind echt straff“ – eine große Freiheit, die Raum für Improvisation lässt, kleine Schnitzer inklusive. Anders als ein Film sei so ein Stück nie ganz fertig.

Auch auf der Bühne kann man sehen, wie sehr Mommsen die Bewegungsfreiheit liebt. Selbst beim Proben, verrät er, kann er nur selten still sein, beim Textlernen nie lange am Schreibtisch sitzen. Eine Unruhe, die Mommsen produktiv zu nutzen weiß: Zum Ku’damm spaziert er morgens gerne von Kreuzberg aus – das sind gut 90 Minuten. Die Route führt über Viktoriapark, Gleisdreieck, Potsdamer Platz, Tiergarten. Genug Zeit, um den Probentext im Kopf durchzugehen.

Wie lange er noch an den Ku’dammbühnen spielen möchte? „Bis es keiner mehr erträgt!“ Jetzt will Oliver Mommsen aber erst mal die Zeit finden, um sich endlich den neuen „Star Wars“-Film anzusehen. Das ist zwischen Proben- und Feiertagen komplett untergegangen.

„Lieber schön“: Komödie am Kurfürstendamm, Premiere am 10. Januar, 18 Uhr (Restkarten), bis 28. Februar

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