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Technik: Das fliegende Zebra

„Serengeti darf nicht sterben“: Der Film hat die Dornier Do 27, das Flugzeug von Bernhard Grzimek, berühmt gemacht. Das Technikmuseum hat das Wrack aus Afrika nach Berlin geholt

Dies ist die Geschichte eines Flugzeugs, das vom Himmel fiel. Sie beginnt, wie die meisten solcher Geschichten, auf einem Flugplatz, fünfzig Jahre später, als Heiko Triesch in Nairobi aus dem Terminal tritt und ihn fast der Schlag trifft. Hatte er nicht um ein Transportauto gebeten? Was er sieht, ist das landesübliche Großraumtaxi, gut, um Menschen über holprige Pisten zu kutschieren. Aber wie soll er da ein Flugzeug reinkriegen? „Das ist Afrika“, schmunzelt der 40-Jährige, „man muss nehmen, was man kriegt.“

Schon die Umstände seiner Reise nach Kenia und dann im Auto weiter nach Tansania sind ungewöhnlich. Der Pilot einer Lufthansa-Frachtmaschine hat Triesch und zwei Helfer als persönliche Gäste mitgenommen. Die Aktion darf nicht viel kosten. Drei Tage hat die kleine Abordnung des Berliner Technikmuseums Zeit für ihren Abstecher in die Wildnis, um ein verschollenes Flugzeug ausfindig zu machen. Oder das, was von ihm übrig ist.

Die Dornier Do 27 mit der markanten Zebra-Bemalung ist durch den Film „Serengeti darf nicht sterben“ von Bernhard und Michael Grzimek weltberühmt geworden. Nicht nur lieferte das Flugzeug beeindruckende Luftaufnahmen, es war auch selbst immer wieder im Bild zu sehen, da die Grzimeks sich geschickt als Wildhüter eines neuen Öko-Zeitalters in Szene setzten. Doch stürzte das Gefährt bei den Dreharbeiten 1959 ab. Der Pilot Michael Grzimek, Sohn und rechte Hand des Frankfurter Zoodirektors Bernhard Grzimek, kam dabei ums Leben. Er wurde noch am selben Tag am Ngorongoro-Krater beigesetzt. Das Wrack blieb in der Savanne liegen.

Die Erfolgsgeschichte des Films, der als erste deutsche Produktion mit einem Oscar prämiert wird, machte den schwarzweiß gestreiften Trümmerhaufen für Trophäensammler begehrt. „Man kann an vielen Stellen erkennen“, sagt Triesch, „dass große Teile aus dem Rumpf sauber herausgeschnitten wurden.“ Trotzdem ist sein Abenteuer geglückt. Denn nun steht er, eine Woche, bevor die Maschine am Donnerstag offiziell in die Sammlung des Technikmuseums integriert werden soll, vor drei Originalfragmenten. Die charakteristische Maserung ist verblasst, der Restrumpf gefaltet wie Papier und ausgeschlachtet. „Da waren enorme Kräfte am Werk“, sagt Triesch mit Blick auf das verbogene, gestauchte Blech. „Das lassen wir so.“

Triesch hat Flugzeugbau bei Airbus gelernt. Neben dem Sachverstand ist etwas davon in den himmelwärts weisenden Haaren hängen geblieben. Heute ist er für die neuere Luftfahrtgeschichte im Museum zuständig, die 1955 mit der deutschen Nachkriegsproduktion von Flugzeugen einsetzt und in dem vorzüglich ausgestatteten Museumsbestand bislang nur eine Nische ausmacht. Während für die historische Luftfahrtforschung alles von Wert sei, was alt ist, erklärt Triesch, suche er nach Exponaten, über die sich Zeitgeschichte vermitteln lässt.

Bei der Cessna 127, die seit ein paar Wochen im Foyer des Museums hängt und von Matthias Rust 1987 nach Moskau geflogen wurde, ist das ähnlich. Nachdem der damals 18-Jährige das bei Sportfliegern beliebte Standardmodell unweit des Roten Platzes zum Stehen gebracht hatte, wurde es beschlagnahmt. Über Umwege gelangte das Flugzeug nach Japan und wurde dort von Triesch aufgespürt. Auch bei der Rust-Maschine sind es weniger technische Aspekte, die das Museum interessieren, vielmehr der historische Hintergrund: politische Verwicklungen. Der Rücktritt des sowjetischen Außenministers. Die ungeheure Gefahr, in die der selbsternannte Friedenskämpfer sich und andere brachte.

Die Dornier 27, die die Grzimeks für ihr Serengeti-Unternehmen kauften und zum „geflügelten Zebra“ machten, war eine von 450 ihres Typs. „Als erste Maschine aus bundesdeutscher Massenfertigung ist sie luftfahrthistorisch unbedeutend, aber dieses Flugzeug veränderte das Bewusstsein für den Natur- und Artenschutz“, erläutert Triesch. Er denkt dabei auch an die Phalanx fliegender Forscher, die erste Luftaufnahmen von der Antarktis machten, oder den Blick von oben – wie die Grzimeks – zur Erfassung großer Wildtierherden nutzten. Aus der Luft entwickelten sie ein neues Zählsystem, das ihnen eine exaktere Bestimmung der Tierbestände in dem Naturreservat Serengeti erlaubte, als das vom Boden aus möglich gewesen wäre. Erst die Draufsicht alarmierte Vater und Sohn. Nicht eine Million Tiere, wie angenommen, beanspruchten den Platz des Wildparks, sondern nur mehr ein Drittel davon. Es war Eile geboten, die Grenzen der Schutzzone so zu ziehen, dass sie den Wanderbewegungen entsprachen.

Es ist dieser Perspektivenwechsel, der das Flugzeug auch in zerstückelter Form zu einem wichtigen Zeugen der Kulturgeschichte macht. Denn erst in der Luft entwickelte sich bei den Grzimeks ein Begriff vom Ganzen. Die Behauptung Bernhard Grzimeks, dass die „letzten Reste des afrikanischen Tierlebens“ gleichzusetzen seien mit Kathedralen und Kulturschätzen wie der Akropolis, war durch die Luftsicht inspiriert.

Mit seiner kurzen Start- und Landedistanz von bis zu 190 Metern eignete sich der Dornier-Hochdecker sehr gut für Aufklärungstrips in unwegsamem Gelände. Auch galt der 6-Sitzer als enorm zuverlässig. Trotzdem legte Michael Grzimek mehrfach Bruchlandungen hin. Das Fahrwerk blieb in Erdlöchern hängen, knickte ab, immer kam der 24-Jährige unbeschadet davon. Doch dann, der „Serengeti“Film war beinahe abgeschlossen, prallte ein Geier gegen die Tragfläche. „Das ist, als würden Ihnen bei Tempo 200 einseitig beide Reifen platzen“, erklärt Triesch die Katastrophe. Da Michael Grzimek ohnehin niedrig flog, hatte er keine Chance, das trudelnde Gerät noch abzufangen.

Es sitzen oft Idealisten und Romantiker hinter dem Steuerknüppel. So wie der französische Fotograf Yann ArthusBertrand, dessen Film „Home“ derzeit in den Kinos läuft. Seine Bücher und populären Wanderausstellungen mit Bildern der „Erde von oben“ sind zum Markenzeichen einer bedrohten Zivilisation geworden. Dass er seine Methode der Luftaufnahme beim Studium von Löwenpopulationen in Afrika entwickelte, ist mehr als eine Nachwirkung der Grzimeks.

Technikmuseum, Trebbiner Str. 9, Di-Fr 9-17.30 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr.

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