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Tefaf Maastricht: Gut ist nicht genug

Ohne Kompromisse: Die Tefaf in Maastricht setzt auf Spitzenstücke.

Feuerrot gurgelt die Lava aus der Erde. In schmutzigem Graubraun raucht es dazu gewaltig. Der norwegische Romantiker Johan Christian Clausen-Dahl malte den Vesuv aus nächster Nähe im Dezember 1820. Nun kann die kleine Ölstudie bei Daxer & Marschall für 120 000 Euro erworben werden. Die aufs 19. Jahrhundert spezialisierte Münchner Kunsthandlung hat noch weitere Clausen-Dahls im Gepäck, und einen 1779 gemalten Vesuvausbruch des deutschen Klassizisten Jakob Philipp Hackert.

Ein Tanz auf dem Vulkan? Oder ein Fest der Schönheit? Die 22. Tefaf Maastricht ist beides. Ob und wie sie auf die Finanzkrise reagiert, ist die Frage der Stunde. Sie treibt Aussteller und Kunden der weltweit größten, schönsten und besten Kunst- und Antiquitätenmesse gleichermaßen um. Anmerken lässt man sich das im diskreten Ambiente der Alten Meister allerdings nicht. Am Eröffnungstag war die Laune bestens. Dass alte Kunst eine sichere Bank sei, hört man inzwischen ständig. In Maastricht lernt man schnell und mit Vergnügen Teil zwei der Lektion: Zur Wertbeständigkeit gehört hohe und höchste Qualität. Und die bieten die 239 Aussteller in gewohnter Fülle.

Wenn es in Maastricht einen Krisenverlierer gibt, dann die Kunst nach 1945. In den vergangenen Jahren war dieses Segment immer größer geworden. Diesmal verzeichnet man im Bereich der Klassischen Moderne und Gegenwartskunst unter den Ausstellern die größte Fluktuation. Schwergewichte wie Jablonka (Berlin und Köln), Acquavella Galleries (New York), Waddington (London) oder Moeller Fine Art (New York) blieben fern. Die Gründe für die Absage mögen unterschiedlich sein. Doch Fakt ist, dass die Moderne-Sektion diesmal sehr blass aussieht oder wie bei Haunch of Venison (London und Berlin) mit einem Schmetterlingsbild von Damien Hirst (1,5 Mio Dollar) und Richard Princes großformatiger Sexfantasie „Untitled (de Kooning)“ von 2007 unfreiwillig Katerstimmung verbreitet. Erfreulich sind die beiden Foto-Neuzugänge Kicken (Berlin) und Hans P. Kraus jr. (New York), bezeichnenderweise mit Abzügen, die bis zu 150 Jahre alt sind und doch frisch wie am ersten Tag wirken.

Ein Fest ist die Altmeister- und Impressionistenabteilung. Dickinson (London) bietet wie schon im letzten Jahr einen kapitalen van Gogh (ca. 25 Mio. Euro) an. Traditionell erstklassig präsentiert sich in Maastricht die Malerei der Niederländer und Flamen. Johnny van Haeften (London) lockt mit Jan Brueghels d.Ä. Küstenlandschaft mit Fischern (1,9 Mio. Pfund). Bernheimer Conaghi (München und London) konnte am ersten Messetag für knapp fünf Millionen Euro Peter Paul Rubens’ Porträt eines jungen Mannes an einen Privatsammler absetzen. Noch zu haben ist eine von vier erhaltenen religiösen Darstellungen von Frans Hals. 1773 kaufte Katharina die Große die Charakterköpfe der vier Evangelisten für die Eremitage, nun steht der Evangelist Markus für 5,8 Millionen Euro zum Erwerb. Einen nicht minder qualitätvollen Kopf des Apostel Paulus, gemalt um 1623 von Simon Vuet, offeriert Derek Johns (London) für 275 000 Euro. Daneben hängt eine frühe Genreszene von Francisco de Goya (3,5 Mio Euro). Sir William Stirling Maxwell erwarb das Kleinformat 1842 für Pollock House in Glasgow.

Möglichst dichte Provenienzen zählen auch in der neuen Design-Abteilung, deren acht Aussteller nicht sehr glücklich eine Etage höher untergebracht wurden. Ulrich Fiedler (Berlin) kommentiert dies mit dem dringenden Wunsch, sich künftig lieber in die Kunst der Klassischen Moderne eingereiht zu sehen. Prunkstück bei ihm ist der letzte verfügbare Stuhl aus dem Esszimmer, das Peter Behrens 1901 für sich selbst entwarf (120 000 Euro). Objekte fürs Traumhaus finden sich beim Kunsthandwerk oder den Antiken. Etwa die Papiertapete „Jardins Anglais“ von 1804, für 65000 Euro zu erwerben bei der Pariser Spezialistin Carolle Thibaut-Pomerantz. Oder der hellenistische Marmortorso einer Aphrodite, die Rupert Wace (London) mit 480 000 Euro beziffert. Eine vergleichbare Ausstrahlung besitzt die Marmorschale von Christian Daniel Rauch (980 000 Euro) nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels, die Frank C. Möller anbietet. Schinkel als Designer kostbarer Interieurstücke begegnet man auch bei Peter Mühlbauer (Pocking) und der Galerie Neuse (Bremen), die Kronleuchter offerieren. Das Vergleichsstück von Mühlbauers Exemplar hängt in Schloss Glienicke.

Im Schloss Charlottenburg stand einst ein Musikautomat aus der Dresdner Werkstatt von Johann Gottfried Kaufmann. Napoleon, den ein Adjutant 1806 damit versehentlich aus dem Schlaf schreckte, bestellte bei Kaufmann einen noch größeren Automaten. 1813 wurde er nach Paris geliefert. Der Möbelspezialist Otto von Mitzlaff (Wächtersbach) hat die Musikmaschine wieder aufgetrieben. Die 15 erhaltenen Stiftwalzen konservieren Kompositionen von Mozart, Beethoven und Spontini. Ein Sensationsfund für 860 000 Euro, der in ein Pariser oder Berliner Museum gehört. Noch sind nicht alle Stücke identifiziert. Und, Krise hin oder her, längst nicht alle Messen gesungen.

Tefaf Maastricht, bis 22. März, Eintritt inkl. Katalog 55 Euro, www.tefaf.com.

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