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© Benjamin Pritzkuleit

Temporäre Kunsthalle: Im Zeichen des Skorpions

Der Palast der Republik ist wieder da - zumindest als Kulisse. In der Temporären Kunsthalle am Schloßplatz wird es endlich spannend.

Berlin, das ist ein schwieriges Terrain. Erst wird man heiß geliebt, dann fallen gelassen. Die Temporäre Kunsthalle bekam dies in ihrem ersten Jahren bitter zu spüren – eine Ausstellung nach der anderen enttäuschte. Die dänische Künstlerin Kirstine Roepstorff hat eine Erklärung dafür gefunden, warum die Dinge in Berlin etwas komplizierter sind. Die Stadt ist im Sternzeichen des Skorpions zwar nicht geboren, doch fällt das Datum der ersten urkundlichen Erwähnung, der 28. Oktober 1237, in genau diese Phase. Auch der Tag des Mauerfalls steht unter dem Signum des gefährlichen Spinnentiers, das Zerstörung und Auflösung, aber auch Erneuerung symbolisiert.

Das mag nach astrologischem Schnickschnack klingen, dient aber doch als Anhaltspunkt, um sich moralisch zu mobilisieren und wieder von vorn zu beginnen. Kirstine Roepstorff soll nach der großen Krise im Sommer, als erst die beiden Geschäftsführer, dann der Beirat die Kunsthalle verließen, mit einer von ihr zusammengestellten Gruppenschau das Blatt wenden. Natürlich ist der Skorpion ihr Wappentier. „Scorpio’s Garden“ hat die seit sieben Jahren in Berlin lebende Künstlerin ihre Ausstellung überschrieben, denn die Stadt erscheint ihr wie ein riesiger Garten, in dem zahllose Pflanzen gedeihen und wuchern, einander befruchten oder verdrängen.

Nach einem Jahr prominenter Einzelpräsentationen – Candice Breitz, Simon Starling, Katharina Grosse, das Duo Allora & Calzadilla, alle aus Berlin –, die jedoch trotz der markanten Stätte seltsam unverbindlich blieben, ist man wieder am Anfang angelangt: Künstler sollen es nun richten, Gäste einladen, das Flair der Kreativmetropole hereinholen, so wie es damals dem Bildhauer Thomas Scheibitz und seinen Freunden vor dem Abriss im Palast der Republik gelang. Dort war auch die Idee für eine Kunsthalle entstanden.

Etwas von diesem Geist ist tatsächlich zurückgekehrt, denn die von Kirstine Roepstorff ausgewählten 21 Künstler stehen für die typische Berliner Mischung aus prominenten Namen und Neuentdeckungen: Isa Genzken ist mit drei rotierenden Stelen aus den frühen neunziger Jahren vertreten, Monica Bonvicini tobt sich im Baumarkt aus und konstruiert ein Spießbürgergehege aus Jägerzaun und Garagentor, das Duo Elmgreen & Dragset legt am Eingang einen Strauß künstlicher Blumen ab, der auch zu ihrer Inszenierung des Nordischen Pavillons auf der Biennale in Venedig gehört.

Schräger Witz, raue Verschläge, edle Skulptur: Lauter unterschiedliche Sprachen, eng benachbart, die einander aber dennoch gut verstehen. Kirstine Roepstorff hat zusammengestellt, was ihr gefällt, eine charmante, persönliche tour d’horizon. Doch scheint es kaum ein tragbares Konzept für die nächsten drei Ausstellungen der Kunsthalle zu sein, von Künstlern kuratierte Potpourris zu zeigen. Die Zeichnerin Karin Sander hat als Nächste für ihre Schau gleich hundert Teilnehmer auf dem Plan. Das Verdienst Kirstine Roepstorffs besteht darin, als Erste dem bereits totgesagten Bau neues Leben einzuhauchen. Mit einer spiralförmigen Rampe als Ausstellungsbühne hat sich die beherzte Dänin auch ins obere Drittel der Halle vorgewagt.

Damit erhält die für Experimente auf dem Schloßplatz abgestellte Kiste wieder Dynamik. Endlich kommt Spannung auf. Kirstine Roepstorff hat nicht nur ein Faible für Astrologie, sondern auch für Mystisches. So werden von ihr insbesondere Künstler geschätzt, die immer noch eine andere Geschichte zu erzählen haben: Amelie von Wulffens collagenhafte Gemälde und bemalte Kanapees zitieren ferne Städte, spielen mit der trügerischen Erinnerung; die Hinterglasmalereien von Alexandra Hopf zeigen nebulöse Figuren, die halb Mensch, halb Tier sind. Auch aus Jason Dodges eigentlich klaren Skulpturen raunt die Vergangenheit: Sein von der Decke hängender Pfeiler aus Papier hat Glöckchen unter sich versteckt, die bei jedem Windzug leise klingeln. Sein auf den Boden gelegter Blitzableiter aus goldglänzendem Kupfer zeigt gen Norden, ein Relikt aus alter Zeit.

Zwar konnten die beiden Künstlerinnen nicht wissen, was die jeweils andere plant: Doch Kirstine Roepstorffs kuratorische Collage und Bettina Pousttchis neue Außenhaut passen perfekt zusammen, vielleicht sogar zu gut. Pousttchis Kunsthallen-Fassade zeigt den Palast der Republik, der damit in verkleinerter Form wenige Meter vom Ursprungsort entfernt wiederaufersteht. „Echo“ hat sie dieses Erinnerungsbild genannt, das weniger den realen Bau als Archivbilder und Aufnahmen aus Überwachungskameras zitiert. Dort, wo einst das Staatswappen prangte, ist nun eine Uhr zu sehen, die kurz nach eins zeigt.

High Noon ist längst vorbei. Nach Gerwald Rockenschaubs gepixelter Wolke, die für das freie Fantasieren warb, ist also der Palast wieder da, damit sich der Passant Gedanken macht, was war, was wird. Die Künstlerin fällt damit jedoch weit hinter die Zeit zurück. Der Palast ist verschwunden, die Wunde bleibt, auch wenn der Schlossbau beginnt. Da hilft auch keine Verlängerung der Palast-Aktivitäten im Provisorium Kunsthalle. Vielleicht ist genau das ihr Problem. Der Kunstkiste bleibt ein letztes Jahr.

Temporäre Kunsthalle, bis 15. 11.; tägl. 11 - 18 Uhr, Do bis 21 Uhr.

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