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Kultur: Test the Protest (Kommentar)

In diesen Tagen trifft man immer wieder Leute, deren verdorrte politische Gefühle frische Triebe bekommen haben. Besonders die österreichischen Verhältnisse sind ein Traum für das Austesten der eigenen Erregbarkeit.

Von Gregor Dotzauer

In diesen Tagen trifft man immer wieder Leute, deren verdorrte politische Gefühle frische Triebe bekommen haben. Besonders die österreichischen Verhältnisse sind ein Traum für das Austesten der eigenen Erregbarkeit. Man schlägt drei Kreuze, ergeht sich in Mitleid oder empfindet schlicht und einfach Neid. Denn es war schon lange nicht mehr so dankbar, Haltung zu beweisen. Deshalb versucht im Augenblick auch alle Welt, sich in symbolischen Akten gegen Haider zu übertreffen. Doch wohin führen sie? Die Medienkünstlerin Valie Export will angeblich den Kokoschka-Preis zurückgeben: Hätte sie nicht besser daran getan, mit der einen Hälfte des Geldes ihre Arbeitsgrundlage zu sichern und mit der anderen eine Studie über Haiders Rhetorik zu finanzieren? Der Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, so die Erben der Schriftstellerin, darf künftig nicht mehr so heißen: Wem schadet das Verbot? Die französische Schauspielerin Catherine Deneuve will dem Wiener Opernball fernbleiben: Wem wird die Enttäuschung angelastet, falls sie jemand spürt?

Es ist eine Frage der inneren Hygiene, sich dem zu verweigern, was man ablehnt und daraus vielleicht sogar eine Demonstration zu machen. Das eigene Bedürfnis aber als Ausweis von Integrität zu sehen, ihm also eine moralisch verbindliche Dimension zu geben, ist eine Verallgemeinerung, die nicht dadurch an Wert gewinnt, dass sie massenhaft - und gemeinschaftsbildend - stattfindet. Solange die bekanntesten Fernsehjournalisten einem Demagogen wie Haider argumentativ nicht gewachsen sind, wirken symbolische Maßnahmen doppelt lächerlich. Sie lassen sich auch nicht mit dem Hinweis auf die Ohnmacht der Öffentlichkeit entschuldigen - wie etwa bei den letzten französischen Atomversuchen, die neben dem Boykott französischer Produkte auch die übliche Selbstgerechtigkeit von Buttons und T-Shirts hervorbrachte: "Fuck France".

Natürlich wird man auf der Ebene von Vernunft allein mit Demagogen nicht fertig. Keine Diskussion kommt ohne Wettbewerb aus, taktisches Geschick, die Überzeugungskraft von Äußerem und Stimmklang, kurz: der Kunst, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sach- und Beziehungsaspekte ringen miteinander, und manchmal muss man einfach Krach schlagen, um seiner Wut Luft zu machen. Der Beweis, dass es prinzipiell unmöglich sei, einem Mann wie Haider in der Diskussion Paroli zu bieten, steht allerdings noch aus.

Die Reaktionen der Kulturszene bewegen sich zwischen Selbstkasteiung und Selbstbefriedigung. Die Ohnmacht der Kunst kommt zusammen mit dem Allmachtsgefühl des Rechthabens, und die Notwendigkeit, sich zu äußern, rechtfertigt zugleich die eigene Existenz. Neben einem seltsamen Beleidigtsein lässt sich dieses Glück, das eigentlich das Privileg totalitärer Systeme ist, fast mit Händen greifen: die Fixierung von Politik und Kunst aufeinander. Haider unterdessen hat gehandelt: Er entzieht dem Bachmann-Wettbewerb die finanzielle Unterstützung des Landes Kärnten.

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