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Kultur: Teurer Spaß

Hitler-Komödie? Eine Premiere mit Friedrich Luft

Auf diesen Film war man gespannt, wie selten auf einen. Eine Kopie davon befindet sich zufällig in Berlin. Man hat ihn einem besonders geladenen Publikum probeweise gezeigt und hat die Anwesenden schließlich gebeten, ihre Meinung dazu auf einem Fragebogen zu notieren. Vierhundert Menschen ist vor der Leinwand ein Wunsch erfüllt worden. Soll er auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden? Das wollte man wissen. Es wird viele gegeben haben, die eindeutig „nein“ darauf geantwortet haben. Warum? (...)

Schon bei der Hitlerparodie wird das Lachen gedämpfter. Uns ist noch das Vorbild zu nah. Auch das war simpel auf seine Art. Aber anders. Aber so, dass die Folgen noch unser Leben vergiften auf Jahrzehnte hinaus. Und da sind wir nicht überempfindlich, wenn wir dies Zerrbild eines Diktators (falls daran noch etwas zu zerren war) nicht ganz unempfindlich erblicken. Chaplin hat dem „Anderen“ das meiste nur abgeguckt. Nur noch eine kleine Drehung – und er hat seine Wirkung. Die Groteske ist leicht. Eine Art Göring ist da, glitzernd von Orden, kriechend im goldenen Staube. Die ganze Folie der Herrschenden war nur zu übernehmen, wie sie da war – und die Satire war gedreht. Der komische Zweikampf der diktatorischen Übermenschen, sich den Rang und Beifall der Massen missgönnend. Die Leichtigkeit, mit der der eben noch geschändete Doppelgänger des Diktators wider Willen in den klirrenden Rahmen der Macht geschoben wird – gelächterwürdig ist alles. Man weiß es. Aber noch vermag man den Spaß nicht als Spaß zu nehmen. Gebranntes Kind – und dies ist ein nachträgliches Spiel mit dem Feuer.

Eindeutig unerträglich wird es uns aber, wenn das Konzentrationslager die Szene des Witzes wird. Hier kam kein Lachen aus dem deutschen Publikum, auch dort nicht, wo Komik gemeint war.

Gegen das Groteske gestellt, Szenen von schwer erträglicher Realistik unter den Verfolgten. Das, nur durch harten Schnitt mit der wirr-komischen Welt des Diktators verbunden, ließ uns erschrecken. Da revoltiert die eigene Anschauung aus kaum vergangenen Jahren. Hier stellt sich Peinlichkeit ein. Sie beherrscht auch den Schluss des Films, wenn der wirkliche Chaplin mit gewiss warmen Worten diese Welt wieder einrenkt und das über-optimistische Happy-End der Weltgeschichte sich einstellt. Ach, so leicht und so rührend wäre es an keiner Stelle unserer zwölfjährigen Erfahrung gewesen. Dieses Ende verstimmt uns.

Uns – wohlgemerkt. Ohne Zweifel kann man von ferne über Chaplins Versuch an der Zeitgeschichte herzhafter lachen. Uns ist der originale Spaß zu teuer gekommen, als dass wir jetzt schon die Satire davon heiteren Auges sehen könnten. Darum zeige man uns diesen Film jetzt nicht. Vielleicht später. Sehr viel später.

Auszüge aus Friedrich Lufts Kritik zu „Der große Diktator“, in: Der Tagesspiegel, 10. August 1946

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