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Kultur: The Good Stoiber

Martenstein wehrt sich gegen antikolumnistische Umtriebe

In „Der gute Deutsche“ spielt George Clooney einen Kolumnisten im Berlin des Jahres 1945. Es ist vermutlich der erste Kolumnistenfilm, der jemals im Wettbewerb einer Berlinale lief. Wie Kolumnisten aussehen, wie mutig sie Gefahren meistern, welch tolle Uniformen sie tragen und wie überwältigend sie auf Frauen wirken, zeichnet der Film immerhin noch einigermaßen realistisch. Dann aber wird, ohne erkennbaren Grund, etwa alle zehn Minuten dem Kolumnisten von hinten ein Stuhl über den Kopf gehauen. „Der gute Deutsche“ ist kein guter Film.

1945 schien eine Epoche der Freiheit zu beginnen, statt dessen senkte sich die Nacht des Antikolumnismus über Europa und in den USA begannen unter McCarthy die berüchtigten Kolumnistenjäger mit ihrer Arbeit. Immerhin wollten sie für die Dreharbeiten zu „Der gute Deutsche“ in Los Angeles das zerstörte Berlin nachbauen, das heißt, sie wollten es nachbauen, aber es ist im Studio eine Verwechslung passiert, aus Versehen haben sie eine zerstörte süddeutsche oder österreichische Kleinstadt gebaut, ich tippe auf München. Die niedrigen Häuser, die Butzenscheiben und geschnitzten Türen, die Korkenziehertreppenhäuser, der hohe Alkoholkonsum, die Männer, die anderen Männern ohne Grund Stühle auf den Kopf hauen: alles typisch München. Deswegen reagieren die Deutschen in dem Film so verwirrt, oder lachen verlegen, wenn Cate Blanchett, obwohl sie doch längst in München ist, ununterbrochen sagt: „Ich will weg aus Berlin, bringt mich raus aus Berlin, ich will Berlin verlassen“, weil, das klingt genau wie der späte Edmund Stoiber.

Es ist das Jahr der guten Deutschen, zugleich ein Jahr, in dem man merkt, wie wenig die Welt über Deutschland weiß. Im Eröffnungsfilm „La vie en rose“ trat ebenfalls eine gute Deutsche auf, nämlich Marlene Dietrich, die ja auch gesungen hat, wie sie ihrer Kollegin Edith Piaf ihre Bewunderung ausdrückt. Die Marlene-Dietrich-Darstellerin trug am Kinn eine dicke, dunkle Warze, wie Marlene Dietrich sie im Leben nicht besessen hat. Die einzige singende, blonde, Edith Piaf bewundernde Person mit einer Warze, die wir in Deutschland haben, ist aber Peter Maffay. Auch hier ist also den Filmemachern aus Unkenntnis der deutschen Verhältnisse eine Verwechslung passiert.

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