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Kultur: The shows must go on!

Gleich neun Tage lang wird Kleidung für den nächsten Herbst in Berlin vorgeführt. Ein Überblick, was ab heute modisch passiert

Zähne zusammenbeißen hat die Berliner Modeszene inzwischen gelernt. Bisweilen entblößt sie diese hoffnungsvoll zu einem hinreißenden Lächeln, wie bei der ersten Fashion Week im Juli, als Stars wie Andie McDowell oder Mischa Barton über rote Teppiche flanierten und allerorten opulente Champagnerpartys gefeiert wurden. Inhaltlich verlief das Spektakel hingegen eher mau, kaum große Namen, wenig internationale Presse und Einkäufer. Die Organisatoren versprachen Besserung. Allen voran die New Yorker Event-Agentur IMG, die Berlin auf den internationalen Kalender hieven wollte. Es folgten monatelange Diskussionen an runden Tischen, und man stritt über einen Kuchen, der noch nicht einmal fertig gebacken war.

Am Sonnabend fällt nun der Startschuss zur zweiten Modewoche – ein wahrer Marathon von neun Tagen. Was Berlin stark machen kann, ist das ungebrochene Improvisationstalent und die Energie der Avantgardeszene. Die offiziellen Schauen der „Mercedes Benz Fashion Week“ wurden vom prominenten Platz am Brandenburger Tor in den Postbahnhof am Ostbahnhof verlegt, wohl auch ein Grund, warum viele der finanzkräftigen Marken sich entschieden, eigene Veranstaltungsorte zu suchen. Der Fokus des offiziellen Kalenders liegt nun auf deutschen Designern wie Macqua, Sinemus, Sisi Wasabi oder Unrath & Strano. Andere Berliner wie Kilian Kerner, Bernadette Penkov oder Reality Studio entschieden sich zu hausgemachten Events in Showrooms oder Clubs.

DIE GROSSEN NAMEN

Hugo Boss setzte sich in der vergangenen Saison ein Denkmal mit einer millionenteuren Kaviar-Sause in der Russischen Botschaft. Diesmal soll es im Hangar 1 des Tempelhofer Flughafens deutlich dezenter zugehen. Die Show am Sonntag wird lediglich von einem Abendessen im kleinsten Kreise begleitet.

Die Firma Joop! blieb Berlin in den vergangenen Jahren fern und wählte nun das Olympiastadion für die Präsentation der neuen Männerkollektion.

Einen Hauch Internationalität verspricht das Defilee von Zac Posen, New Yorker Wunderkind und Liebling von Anna Wintour und Gwyneth Paltrow, am Freitag im Postbahnhof. Der Mittzwanziger ist mit den Vorbereitungen zu seiner großen Show im Big Apple allerdings zu eingespannt, um selbst den Weg an die Spree anzutreten.

Das Berliner Aushängeschild Michael Michalsky liebäugelt mit der Kunst und schickt seine Models in der Gemäldegalerie des Kulturforums auf den Laufsteg.

MESSEN

Nach dem Weggang der Bread&Butter suchte die deutsche Jeans- und Streetwear-Szene lange nach einem adäquaten Ersatz. Mittlerweile kehren viele Marken nach Berlin zurück und zeigen sich auf der Premium am Gleisdreieck. Der Schwerpunkt liegt auf skandinavischen Designern und Mode, die unter ökologischen Gesichtspunkten gemacht wird. Highlight dieser Saison ist die Rückkehr von Diesel. Nach jahrelanger Messeabstinenz präsentieren die Italiener nun ihre Linie Diesel Black Gold.

Die Muskeln spielen lässt Distributeur Norbert Klauser mit seinem Alleingang-Showroom „Berlin is Stark“. Der Münchner gilt als einer der wichtigsten Verfechter des Standortes. Im ehemaligen Umspannwerk in der Kopenhagener Straße im Prenzlauer Berg präsentiert er dem Fachpublikum 40 Kollektionen.

Die Initiatoren der Projekt Galerie zeigen eine feine Auswahl an Designern in den Galerien Project und Janine Bean in der Torstraße. Dabei sind Vertreter der internationalen Avantgarde wie Ute Ploir und AF Vande Vorst, aber auch lokale Größen wie Kaviar Gauche, Presque Fini oder Majaco. Bis zum 30. Januar läuft in der Project Gallery außerdem die für jedermann zugängliche Ausstellung „Mario Borsato by Andy Warhol“ mit bislang unveröffentlichten Porträtarbeiten des Pop-Art-Künstlers.

Der Ideal Showroom, sicherlich die ambitionierteste Plattform für Nachwuchsdesign, schlägt zum fünften Mal seine Zelte im Café Moskau auf. Sumi Ha und ihr Team erstöberten 50 aufstrebende Talente aus der ganzen Welt. Wie in jedem Jahr wird die Veranstaltung am 2. Februar von einer Show gekrönt, diesmal zeigt der Ungar Rozalb De Mura seine Entwürfe dem geladenen Publikum. Zur Aftershow-Party ab 22.30 Uhr sind dann alle Style-Hungrigen willkommen. Unter dem Titel „Villa Noir“ gibt es Musik, Installationen, Performances und eine Night-Boutique.

IN DER STADT

Das zweite Festival of Urban Fashion and Arts Wedding Dress #2 steht in den Startlöchern. Bis zum 10. Februar 200 werden in 25 Ladenlokalen der Brunnenstraße Vernissagen, Partys und Diskussionsabende stattfinden. Neben vielen Designern sind auch die Buchhandlung Pro qm, das Modeportal Styleserver und das Magazin Lodown involviert.

Die Streetwear- und Grafikdesign-Elite fühlt sich von jeher in der Hauptstadt wohl, ohne Bread&Butter muss sie sich allerdings neue Stelldicheingründe suchen. Die Veröffentlichung der 44. Ausgabe des Magazins Arkitip aus Los Angeles dürfte Anlass genug sein. Diesmal zeigte sich das dänische Designtriumvirat Wood Wood für die Gestaltung verantwortlich. Begleitet wird der Launch von der Ausstellung High Math unter anderem mit Arbeiten von Ed Templeton, Parra und Jo Jackson in der Pool Gallery in der Tucholskystraße 38, ab 31. Januar.

Zur Buchveröffentlichung „Berlin Fashion – Metropole der Mode“ zeigt das Kaufhaus Galeries Lafayette vom 28. Januar bis 23. Februar Fotoarbeiten von Alexander Gnädiger und der Setdesignerin Annika Lischke.

Einige Labels nutzen die Fashion Week auch, um einen neuen Laden zu eröffnen: Am 1. Februar laden das Label Adddress in die Weinmeisterstraße 12 und die Hosenmarke Drykorn in die Neuen Schönhauser Straße 6. Die Berliner Designerin Andrea van Ramsdahl feiert am 2. Februar in der Gormannstraße 8.

WETTBEWERBE

Den offiziellen Kick-off zur Modewoche liefert am Samstag die „Beck’s Fashion Experience“ in der Kulturbrauerei. Diesmal präsentieren unter anderem die Designer Anntian aus Berlin, Cem Cako aus Antwerpen und Ostwald Helgason aus London ihre Mode.

An Berliner Modeschaffende richtet sich der Karstadt New Generation Award, der am Montag im Postbahnhof über den Laufsteg geht. Nominiert sind diesmal Pulver, Mongrels in Common, Q. E. D. und Miroike.

Der „Fashion Academy Award“ wird zwar erst im Oktober zum ersten Mal verliehen, aber schon jetzt können sich junge Designer unter www.createurope.com bewerben. Zu gewinnen gibt es zum Beispiel einen Jahresaufenthalt in Berlin. Initiert wurde das ganze vom Goethe-Institut, dessen Ziel es ist, „Berlin als Modestadt bekannt zu machen“. Das ist keine neue Idee, aber es kann ja nicht schaden, wenn möglichst viele mithelfen, dieses Ziel zu erreichen.

Romy Uebel

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