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Kinderspiel. Szene aus „Die kleine Hexe“ mit Caroline Erdmann, Andrej von Sallwitz und Anton Bermanin.

© Christian Brachwitz

Theater an der Parkaue feiert Jubiläum: Aula des Aufbruchs

Das Theater an der Parkaue, Deutschlands größte Kinder- und Jugendbühne, wird 65 Jahre alt - und bekommt vom Senat ein Liftung geschenkt

Nanu, das sieht ja auch wie eine Schule hier! Ist ja auch mal eine gewesen. Bis 1950, als das frisch gegründete „Theater der Freundschaft“ einzog. Im Trümmer- Berlin waren die Künstler froh, überhaupt ein intaktes Gebäude zu haben. Und ein repräsentatives obendrein. Einen Bildungspalast in diesem Falle, errichtet 1911 im Geschmack der Neo-Renaissance, mit stolzem, hoch über dem Lichtenberger Stadtpark aufragendem Turm. Weil das Knaben-Gymnasium 1934 nach dem Nazi-Propagandaminister Goebbels benannt worden war, erschien der sowjetischen Militäradministration hier der geeignete Ort, um den Nachwuchs auf die Ideale des Sozialismus einzuschwören. Die Schule wurde konfisziert, von einem Bauhaus-Schüler umgebaut und zum „Haus der Kinder“ erklärt. In einem Flügel gab es künftig jede Menge Freizeitangebote für Junge Pioniere, vom Ballett bis zum Kosmonauten- Studio. Und im anderen Flügel wurde Theater gespielt, in der ehemaligen Aula, der man ein Bühnenhaus aufgesetzt hatte. Hans Rodenberg, der im russischen Exil die proletarische Spielbewegung kennengelernt hatte, wurde erster Intendant, später übernahm seine Frau Ilse die Leitung. Durch die intensiven Bemühungen, das bis dahin marginalisierte Kindertheater aus der „Peterchens Mondfahrt“-Ecke herauszuholen und Schriftsteller als Autoren von zeitgemäßen Kinder- und Jugendstücken zu gewinnen, wurde das „Theater der Freundschaft“ bald stilprägend für den Umgang mit dem Nachwuchs in der gesamten DDR-Schauspielszene.

Dabei gelang es auch immer wieder, kritische Inhalte an der Zensur vorbei auf die Bühne zu schmuggeln. So wie 1987, als Manuel Schöbel in seinem als Märchen getarnten „Prinz Tausendfuß“ eine Stadtmauer als Ursache allen Übels ausmachte. Schöbel war nach der Wende dann auch derjenige, der als Intendant ab 1991 den massiven Besucherrückgang stoppte und die nunmehr „Carrousel – Theater an der Parkaue“ genannte Institution zur festen Größe im wiedervereinigten Berlin machte, finanziert vom Senat als kleinstes Staatstheater der Stadt.
Sein Nachfolger Kay Wuschek strich 2005 den schwer vermittelbaren, französisch geschriebenen Namensteil, verfolgte aber die künstlerische Linie weiter, Deutschlands größtes Kinder- und Jugendtheater mit einem vom Kindergarten bis zur Oberschule differenzierten Spielplan für die „Lebensrealität“ der Heranwachsenden zu öffnen. „Der Hunger ist noch nicht gestillt“, lautet sein Credo zum 65. Geburtstag des Hauses, das an diesem Wochenende mit einem Programm voller Überraschungen gefeiert werden soll – im Lichtenberger Stammhaus wie auch im Ausweichquartier, dem Prater an der Kastanienallee in Mitte.

Zum 50. Geburtstag investiert der Senat in die Infrastruktur

Just zum Renteneintrittsalter nämlich bekommt die Parkaue derzeit eine architektonische Verjüngungskur vom Berliner Senat spendiert. Die Bühne 1 mit ihren 419 Plätzen wird nach allen Regeln des Denkmalschutzes renoviert, also samt der einst in den Deutschen Werkstätten Hellerau hergestellten Holzvertäfelungen und den spinnenarmigen Fifties-Kronenleuchtern. Die in der ehemaligen Turnhalle als Blackbox eingerichtete Bühne 2 bekommt eine Klimaanlage und eine neues Podium für 133 Besucher, außerdem werden in den Büros endlich zeitgemäße Datenleitungen verlegt. Und für den Brandschutz muss natürlich auch einiges getan werden. Die größte Erleichterung in den Arbeitsabläufen aber verschafft den Theaterleuten der Neubau der Bühne 3. Bisher war das ein 99-Plätze-Provisorium auf dem Hof mit dem Charme einer Lagerhalle. Jetzt aber steht hier ein weiß strahlender Quader, der bis zur Traufhöhe des vierstöckigen Altbaus reicht. Neben der Spielstätte findet dort auch die Werkstätten Platz, die zuvor über diverse Standorte verteilt waren. Vom Hochregallager für den Requisiten-Fundus in der obersten Etage wird es zudem einen direkten Zugang zur Hauptbühne geben, über eine kurze gläserne Brücke.

Das Stammhaus des Theaters wurde 1911 als Gymnasium erbaut.
Das Stammhaus des Theaters wurde 1911 als Gymnasium erbaut.

© Theater

Noch sind die Bauarbeiter nicht ganz fertig, der Spielbetrieb auf der Bühne 3 aber konnte, nach zweimaliger Verschiebung, am 28. Oktober wieder anlaufen. Als erste Premiere kam „Die kleine Hexe“ nach Otfried Preußler heraus, für Zuschauer ab fünf Jahren. Regisseurin Chiara Galesi inszeniert den Kinderbuchklassiker nach neuester Erwachsenentheater-Mode, setzt den Inhalt als bekannt voraus und dekonstruiert frisch drauflos. In wieweit die Kinder dieser unablässig zwischen Sprechen und Singen hin und her zappenden Textcollage folgen können, in der neben der Titelheldin zwei abstrakt-clownshaft geschminkte Darsteller alle weiteren Rollen übernehmen, lässt sich nicht genau sagen. Vielleicht sind sie einfach auch nur in den Bann geschlagen von der Zauberkraft des Live-Spektakels, berauscht von der Reizüberflutung. Eine Dreiviertelstunde lang halten sie gut durch, sind dann aber auch dankbar, wenn eine Mitmach-Passage eingeschoben wird, bei der sie immer wieder „Gesundheit!“ schreien dürfen oder gefragt werden, ob ihre Erzieherin vielleicht eine verkleidete Hexe sein könne.
Fast 13 Millionen Euro kostet die Ertüchtigung der Infrastruktur, pro Jahr investiert die Stadt gut sechs Millionen Euro in den Spielbetrieb – und doch hat auch die Parkaue seine finanzielle Leidensgeschichte. Als die Mauer fiel, arbeiteten hier 219 Menschen, heute sind es noch 90. 1997 betrug der Zuschuss 7,5 Millionen Euro, aus dem Plan des Kultursenators Peter Radunski, zwei Drittel davon zu streichen, wurde eine Absenkung auf 5,2 Millionen. Der nächste Schlag folgte 2004, als die Politik auf die Idee kam, als Kompensation für das geplatzte Projekt, Studiengebühren für Langzeitstudenten zu erheben, den Parkaue-Etat um 50 Prozent zu kappen. Was erst im allerletzten Moment und nach massiven Protesten verhindert werden konnte.
Dennoch sah sich Kay Wuschek beim Amtsantritt mit einem durch die strukturelle Unterfinanzierung aufgelaufenen Defizit von fünf Millionen Euro konfrontiert. Ein Drittel davon musste er bei laufendem Betrieb bis 2010 selber erbringen hatte. Eine Herkulesaufgabe, weil Wuschek anders als die Intendanten der Erwachsenenbühnen nicht an den Eintrittspreisen drehen kann: Bereits ein Aufschlag von 50 Cent ist hier Auslöser für einen Sturm der Entrüstung seitens der Stammkundschaft, also der Schulen. Für ihre Subventionen bietet die Parkaue- Mannschaft jede Saison 500 Vorstellungen von 30 verschiedenen Inszenierungen an, die über 100 000 Besucher in Berlin und auf Gastspielen erreichen. Was einer 90-Prozent-Auslastung entspricht.
Weitere Infos unter www.parkaue.de

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