zum Hauptinhalt
Rummelplatz

© dpa

Theater: "Baut doch weiter!"

Nach seinem fulminanten Stück "Heaven zu Tristan" legt Armin Petras nach. Der Regisseur adaptiert den Roman "Rummelplatz" am Gorki-Theater und sucht nach einem Plan für etwas, das es in dieser Form noch gar nicht gab.

Ach, „Heaven (zu tristan)“! Wie virtuos hat der Regisseur Armin Petras es Ende 2007 verstanden, auf verschiedenen historischen, metaphorischen und Figurenebenen vom Ende der DDR und dem Lebensgefühl in abgehängten Regionen in den neuen Bundesländern zu erzählen. In dem von Petras’ Alter Ego Fritz Kater verfassten Stück stehen die älteren Figuren auf den Trümmern ihrer Vergangenheit, die jüngeren stehen vor dem Garnichts. Das Einzige, was sie haben, ist eine diffuse Sehnsucht. Nach Amerika etwa, oder gleich nach den Sternen.

Mit seiner Adaption von Werner Bräunigs „Rummelplatz“ erzählt Gorki-Chef Petras wieder eine Geschichte vom Aufbruch nach dem Untergang. Bräunigs in den 60er Jahren entstandener, aber erst 2007 postum erschienener Roman ist eine unvollendete, sprachlich brachiale Bestandaufnahme der Nachkriegs- und Aufbauzeit im Osten Deutschlands.

Ort der Handlung ist die „Wismut“, ein Uranabbaugebiet in der Nähe von Chemnitz, eine Sonderzone unter sowjetischer Kontrolle. „Als hätte jemand eine sehr finstere Kleinstadt und eine sehr finstere Fabrik ineinandergeschüttet und zwischen zwei Bergen auf die Erde gekippt.“ Der nahegelegene Rummel ist für die Bergleute die einzige Ablenkung von Knochenarbeit, Dreck und Einsamkeit. Zu viel Dreck und Einsamkeit für das XI. Plenum des ZK der SED – das Buch ist in der DDR nie erschienen. Bräunig starb 1976 mit 42 Jahren in seiner Einzimmerwohnung in Halle-Neustadt am Alkohol.

Petras hat aus dem Buch eine zarte, zugespitzte Bühnenversion destilliert. Die nicht über den Leser hinwegdonnert wie Bräunigs realitätsgesättigte Prosa, sondern Pointen bietet und Pathos, Utopie und Angst. Umso enttäuschender, dass Petras’ hochkarätig besetzte Inszenierung den Text nur selten ernst zu nehmen scheint. Stattdessen setzt sie auf Ironisierung: Robert Kuchenbuch als „R“ rollender Schachtchef Polotnikow und machohafter Produktionsleiter der benachbarten Papierfabrik. Christian Baus als weichlicher Kaderleiter Nickel. Ursula Werner als jovialer Fabrikant. Und Britta Hammelstein als singende Kellnerin und gnadenlos sächselndes Landmädel – diese Figuren sind solide gespielt, manchmal witzig, stehen aber den existenziellen Themen der Geschichte im Weg.

Da wundert man sich, was den Regisseur eigentlich an der Geschichte interessiert. Ist es die Sehnsucht der Figuren nach einem „Vaterland“, nach einer Aufgabe? Die jungen Protagonisten sind ja – wie in „Heaven“ – ständig auf der Suche. Ruth (Regine Zimmermann) etwa, die die erste Maschinenführerin in der Papier fabrik werden will. Sie scheitert, an den Maschinen und den Männern, aber gibt nicht auf. „Es geht um die Menschheit ... und um den Sozialismus!“ Dem Lederja ckenträger Peter Loose (Michael Klammer) sind die großen Ideen egal. Er stand vor der Wahl „Wismut oder Knast“, also arbeitet er, hart und schnell. Und irgendwann zu schnell, die Normen steigen, das nervt. Loose wird angegriffen, verletzt, für den Berg untauglich. Tja, sagt er, „unterwegs sein ist alles“. Und da ist der Professorensohn Christian, der sich erst mal Schwielen an den Händen holen soll, ehe er studieren darf. Milan Peschel spielt ihn volksbühnig, zwischen krähendem Clown und Loser. Als Christian dann an die Uni darf, will er „Kohle und Kali“ studieren, nicht Goethe. Nelke im Knopfloch, Grinsen im Gesicht – warum nicht.

Die Rummelplatzszene ist stark. Bunte Scheinwerfer, Bum-bum-Musik aus dem Lautsprechern, literweise Wasserwodka aus der Pulle. Totaler Abschuss. Regine Zimmermann darf als schnurrbärtiger Kipperfahrer Heidewitzka in breitestem Pfälzisch rumprollen, Loose kann nur noch sabbern. Eine unterhaltsame „Beleidigung der Werktätigen“ – aber letztlich: eine Leerstelle.

Am Ende aber mag Petras dann doch nicht auf die große Botschaft verzichten. Der sonor knödelnde Peter Kurth hat ohnehin immer wieder ein paar gute, wahre, schöne Sätze zu sagen, als einarmiger Utopie- und Spitzhackenträger Hermann Fischer, ein braver DDR-Grundsteinleger der ersten Generation. „Wir haben Frieden“, sagt er. „ Aber wir müssen ihn erst übersetzen in Brot, Häuser, Würde, Freiheit, Liebe für alle.“ Wer da widerspricht, hat ein Herz aus Uran.

„Wir haben den Anfang eines Vaterlandes hineingebaut, mitten hinein in die Zerstörung“, sagt Fischer am Ende. Das Problem ist bloß, dass wir keinen Bauplan mehr haben. Da wird das Stück ganz kurz jetztzeitig. Zack, Kurth haut die Hacke in die Bühnenbretter, dann ist Schluss. Das Gerät bleibt stecken, zur Mahnung: „Baut doch weiter!“ Bei der Schlussverbeugung funktioniert der Stiel als Stolperfalle.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false