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Theater: Die Dame als Stinktier

Geschlechterstreit und Klassenkampf: Die Salonkomödie "Fisch zu viert“ in der Komödie am Kudamm.

Am Ende sind sie alle tot. Und schuld daran war im Grunde nicht das Arsen im Likör, auch nicht das verdorbene Innere des aufgetischten Gammelfisches, sondern ein Gift, das den menschlichen Organismus sehr viel wirkungsvoller auffrisst als Zyankali und Blausäure zusammen: die Gier. In der galligen Salonkomödie „Fisch zu viert“, die Wolfgang Kohlhaase und Rita Zimmer anno 1968 ursprünglich als Hörspiel geschrieben haben und die anno 1970 auch verfilmt wurde, mündet ein silvesterkomödiantisches Dinner für vier Menschen in der Katastrophe, weil ums liebe Geld gestritten wird. Fraglos ein immergrünes Thema, wobei Kohlhaase und Zimmer ein Setting des 19. Jahrhunderts gewählt haben, um das prekäre Verhältnis zwischen den Ständen mit größerer Fallhöhe und erleseneren Manieren aufarbeiten zu können.

Der Diener Rudolf Mossdenger, den der vorzügliche Achim Wolff in Carl-Hermann Risses Inszenierung am Kudamm als steifen Schmock und heimlichen Schwerenöter mit Kaiserschnurrbart und genäselter Trinkspruch-Marotte „Auf die allgemeine Gesundheit!“ gibt, ist im Herbst seines Lebens angekommen und möchte noch einmal die Welt bereisen. Dafür braucht er Bares, und das gedenkt er sich, wie einst besprochen, von den drei Schwestern zu holen, denen er seit Jahr und Tag in Wohn- und Schlafzimmer gefällig ist. Wobei Charlotte, Cäcilie und Clementine Heckendorf, die Erbinnen einer Berliner Bierbrauerdynastie, untereinander nicht wissen, welch delikaten Zeitvertreib sie da teilen. Als die feinen Damen jedoch die Zahlung verweigern, droht der rasende Rudi, die brave Klöppeldeckchenfassade auffliegen zu lassen.

„Fisch zu viert“ ist im Grunde eine Mischung aus Brecht und Kesselring, eine Arsen-und-Spitzenhöschen-Frivolität aus der Welt von Herr und Knecht, Sozial- Slapstick inklusive. Was tadellos aufgeht. Der große DEFA-Autor Kohlhaase, Schöpfer von Geschichten wie „Berlin – Ecke Schönhauser“ und ja auch heute noch erfolgreich mit Drehbüchern wie „Sommer vorm Balkon“, und seine Koautorin, die Hörspieldichterin Rita Zimmer („Der schöne Hubert“), sie beweisen in diesem Komödienklassiker ein tolles Gespür für Boulevard-Rasanz mit Falltür in Richtung des gesellschaftlichen Leichenkellers. Die beiden waren auch bei der Premiere anwesend und wurden, wie überhaupt der Abend, lautstark gefeiert.

Regisseur Risse stellt sich mit entsprechend kluger Zurückhaltung in den Dienst des Stücks und sorgt für einen reibungslos getimten Ablauf des Geschlechter- und Klassenkampfes. Ein probates Boudoir-Bühnenbild und Kostüme der Epoche (Ausstattung: Anna Cumin), ein Ensemble, das wie auf Likör spielt – mehr braucht der Text nicht. Judy Winter ist da als Familienälteste Charlotte ein eiskalt-amüsantes, berechnendes Biest, stets zum Naserümpfen über die Dreistigkeit des Personals bereit und ganz Grande Dame der Provinz. Walfriede Schmitt stellt als kekssüchtige Wuchtbrumme Cäcilie derb-komischen Pragmatismus aus, eine Frau muss tun, was sie tun muss. Und Rita Feldmeier, das alkoholselige Nesthäkchen Clementine, hat einige sehr lustige Schwipsmomente, in denen sie den Namen ihrer Schwester zu „Schlotte“ verkürzt.

Als heimlicher Spielmacher, Diener dreier Herrinnen und hintersinniger Giftfläschchenjongleur treibt dabei Achim Wolff das Geschehen Richtung Abgrund, selbst befeuert von der Verve des Unterdrückten. Spürbar wird hinter diesem puderzuckersüßen und situationskomischen Reigen indes noch ein anderes Lebensthema, das der geplatzten Träume. „Fisch zu viert“ erzählt nicht zuletzt von Menschen, die es sich in ihrem leeren Dasein derart bequem gemacht haben, dass sie auf jede Störung wie ein Stinktier reagieren. Zu den besten Szenen zählt jene, in der die drei Schwestern in so munter- mehrdeutigem Parlando die Verabredung zum Mord treffen, als sei auch das nur ein lässliches Laster der Reichen. Patrick Wildermann

Wieder 24. bis 29. sowie 31. März.

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