zum Hauptinhalt

Kultur: "Theater heute": Die Post geht wieder ab

Ein bisschen albern ist es schon. Aber dann liest man sie doch gern und auch als erstes, wenn das druckfrische Werk angekommen ist - die Hitparade im Jahrbuch der Zeitschrift "Theater heute".

Ein bisschen albern ist es schon. Aber dann liest man sie doch gern und auch als erstes, wenn das druckfrische Werk angekommen ist - die Hitparade im Jahrbuch der Zeitschrift "Theater heute". Bei allem Hype und aller wohlfälligen Eitelkeit, es lassen sich aus der berühmt-berüchtigten Kritiker-Umfrage doch Tendenzen herauslesen. Zum Beispiel die, dass der "Generationenkrach" der verflossenen Spielzeit - von einigen Kritikern auch als Ärgernis der Saison genannt - nichts weiter war als ein Feuilletonspalten-Füller. Judith Engel, die Schauspielerin des Jahres, ist eine junge Frau, die mit alten Kameraden wie Peter Zadek und Christoph Marthaler groß herausgekommen ist. Und Zürich, das Theater des Jahres (vor der Wiener Burg), läuft ohnehin außerhalb der Alt-Jung-Konkurrenz: In der Schweiz ticken die Uhren anders, wie Simone Schneider in ihrer Marthaler-Zürich-Hommage so schön beschreibt.

Das neue Jahrbuch ist also da, hat 170 Seiten, viele sehenswerte Fotos und kostet 36 Mark. Das ist nicht zu viel, wenn man bedenkt, dass die Debatten der Vergangenheit hier endgültig zu Grabe getragen werden. Moritz Rinke, der (auch noch junge) Dramatiker des Jahres, arbeitet sich an Zadeks "Rosmersholm", der Inszenierung des Jahres, mit Witz und Tücke ab - um vor dem Meister ehrenvoll zu kapitulieren. Überhaupt tut es gut, in "Theater heute" mal wieder eine Reihe von Texten zu lesen, die nicht hoffnungslos am Theater verzweifeln, sondern offen sind. Für Vorgänge, für Phänomene, die sich nicht sofort und ganz so leicht einordnen und verhaften lassen; was "Theater heute" sonst gern tut. Diedrich Diederichsens Recherche nach dem Zuschauer von heute, Wolfgang Höbel über Hamburger Stromschläge und Kurzschlüsse, Franz Willes Generationen-Essay verraten in ihrer gepflegten Unschlüssigkeit allesamt eines: Das Theater ist momentan offenbar schneller als seine Kritiker. Und das ist gut so.

Einen richtigen Schauspieler des Jahres gibt es diesmal nicht - da konnten sich die 41 befragten Kritiker nicht einigen. Dafür wurde Fritzi Haberlandt mit großer Mehrheit zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres gewählt (siehe neben stehendes Portrait). Berlin übrigens kommt wieder mal ganz schlecht weg.

Rüdiger Schaper

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false