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Heißes Eisen. Sophie Rois als Marguerite Gautier in der Inszenierung von Clemens Schönborn.

© dapd

Theater: Liebe ist ein Rauschgeschäft

Clemens Schönborns Inszenierung von Alexandre Dumas’ „Kameliendame“ ist platt und bleibt weit hinter dem gewohnten Anspruch der Volksbühne zurück. Einzig der Männerchor bringt mit Passagen aus Verdis "La Traviata" etwas Klasse ins Spiel.

„Geld ist alles! Geld ist Leben!“, ruft uns Marguerite Gautier in ihrem weißen Totenhemdchen zu, bevor das Licht ausgeht. Der kranken jungen Frau sieht man solche Plattitüden nach: Wer mag schon Sentimentalitäten auf die Goldwaage legen, die kaum volljährig gewordenen Menschen auf dem Totenbett entfahren?

Was hingegen die Volksbühne im Allgemeinen und Clemens Schönborns Inszenierung der „Kameliendame“ im Besonderen betrifft, hätte der Grundkurs in kapitalistischer Ökonomie anspruchsvoller ausfallen dürfen. Mit einer Schlusspointe jedenfalls, die auch „Geld regiert die Welt“ hätte lauten können, fällt man am Rosa-Luxemburg-Platz weit hinters hauseigene Diskursniveau zurück.

Die Mätresse, die ihren Klienten die Tausender aus dem Kreuz leiert, bis ein romantischer Ausrutscher sie auf den Weg der Tugend und damit in den Ruin führt: Man stellt sich vor, wie ein Diskursfachmann wie René Pollesch Alexandre Dumas’ rührseligen Stoff aus dem vorletzten Jahrhundert mit Lust, Intelligenz und Slapstick zur Kenntlichkeit entstellen würde!

Clemens Schönborn, der ein paar viel beachtete Filme gedreht, sein Theaterdebüt mit Sophie Rois als „Medea“ letztes Jahr in Leipzig dagegen dem Vernehmen nach in den Sand gesetzt haben soll, scheint grundsätzlich in eine ähnliche Richtung zu denken: „Baise moi fonds“ („Fick-mich-Fonds“), verheißt vollmundig der Programmzettel. Und auch im Ankündigungstext aus der Dramaturgie-Abteilung mangelt es nicht an Hinweisen auf den „Tauschwert“ von Liebe und Geld.

Kurzum: Der Wille zum Pollesch ist da. Allein: Das Vermögen fehlt – aus welchen Gründen auch immer. Denn was tatsächlich auf der Volksbühne stattfindet, muss man sich als dünnes Singspielchen mit treuherzigen Trash-Anleihen vorstellen – säuberlich um die Diva des Abends, Sophie Rois, als „Kameliendame“ herum drapiert. Und klar: Rois spielt in einer Liga, von der andere nur träumen. Es muss schon etwas ziemlich Außergewöhnliches passieren, dass man ihr nicht gern zusieht. Zu behaupten, la Rois sei als Marguerite Gautier über sich selbst hinausgewachsen, wäre allerdings übertrieben. Es ist eher ein Rois-Abend der Wiedererkennungseffekte.

Und so mag man sich gar nicht vorstellen, was eigentlich von dem neckischen Achtzigminüter übrig geblieben wäre, wenn Schönborn nicht auf Giuseppe Verdis „La Traviata“ sowie ein Musiker-Septett nebst Männerchor zurückgegriffen hätte. Viel mehr als eine Zazie de Paris, die als Marguerite-Gefährtin Prudence eine sicher geglaubte Pointe über hart gekochte Eier versemmelt, sowie einen routinierten Hendrik Arnst als lüsternen Business-Brutalo hat diese „Kameliendame“ nämlich nicht zu bieten.

Ein dankbarer Kniefall also vor der musikalischen Belegschaft, die einen tatsächlich bei Laune hält – und insbesondere vor dem jungen Tenor Kai-Ingo Rudolph. Wie der sich als blond gelockter Geliebter Armand mit kompromissloser Naivität in die Liebe – und in die Ohnmacht – fallen lässt, hat große Klasse, vom Gesanglichen ganz zu schweigen. Auch Rois, die diesem jung besetzten Lover gegenüber zwischen mütterlicher Rührung sowie Lust und Belustigung der Enddreißigerin changiert, schaut man in den Armand-Szenen am liebsten zu.

Wieder am 23. 3. und 1. 4., 19.30 Uhr

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