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Kämpferisch und umstritten: Intendant Sewan Latchinian.

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Update

Theater Rostock: „Theaterzerstörung im Namen des Geldes"

Nach der Entlassung des Rostocker Theaterchefs Latichinian findet dieser drastische Worte und will nun klagen. Die mögliche Abfindung: bis zu 500 000 Euro. Zahlen müsste die ohnehin klamme Theater-GmbH.

Die Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins protestiert gegen die fristlose Entlassung des Rostocker Theaterchefs Sewan Latchinian. In einem Offenen Brief an Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling schreiben Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters Berlin, und Holger Schultze, Chef des Theaters und Orchesters Heidelberg: „Es ist offensichtlich, dass Sie durch dieses Manöver von der eigentlichen Problematik ablenken wollen: nämlich dass Sie eine katastrophale Zerstörung der Strukturen des Rostocker Theaters durchführen und ein Vierspartenhaus zum Zweispartenhaus amputieren.“ Khuon und Schultze fordern die Zurücknahme der Kündigung.

Vergleich mit IS-Terror

Bei einer Demonstration hatte Latchinian die Theaterpolitik in Mecklenburg Vorpommern mit den Kulturzerstörungen durch den IS-Terror in Zusammenhang gebracht; die Rostocker Bürgerschaft votierte am Dienstag für seine sofortige Entlassung, nachdem sie im Februar einem Spartenabbau beim Rostocker Volkstheater zugestimmt hatte. Auch bei der Sitzung am Dienstag gab es Proteste.

Sicher könne man Latchinians Äußerungen in der Öffentlichkeit kritisch sehen, heißt es im Protestbrief seiner Intendantenkollegen.

„Sie benutzen diese Entlassung als Vorwand, nicht nur um die Strukturen zu schwächen und das Theater weiter in seiner Handlungsfähigkeit einzuschränken, sondern auch um den Spartenabbau rascher und ohne einen Intendanten, der sich für sein Theater einsetzt, durchzuführen.“ Wörtlich hatte Latchinian bei der Demo in Neustrelitz Anfang März gesagt: „Seit Wochen zerstören IS-Schergen im Irak die jahrtausendealten Weltkulturerbestätten Nimrud und Kirkuk, aus religiösen Vorwänden. Und hier in Mecklenburg-Vorpommern – ich setze das nicht gleich, aber vergleichen muss man das schon – hat im Namen des Geldes die Zerstörung funktionierender Theaterstrukturen begonnen.“

Am Mittwoch kündigte Latchinian nun an, gegen die Entscheidung des Hauptausschusses der Rostocker Bürgerschaft vorzugehen und gegen die Kündigung zu klagen. Im Deutschlandradio Kultur sagte Latchinian, jeder wisse, dass sein Vergleich nur ein Vorwand für die Kündigung sei. Der eigentliche Grund sei aber seine Kritik an der Bürgerschaft in den vergangenen Monaten.

Nach Expertenmeinung werden der Klage gute Chancen eingeräumt. Latichinian könnte eine Abfindung von rund 500 000 Euro zugesprochen werden. Kritiker monieren, dass die Abfindung von der klammen Theater-GmbH gezahlt werden müsste, obwohl die Stadt die Kündigung ausgesprochen hat.

Latchinian: Kündigung ein neues, zweites Lichtenhagen

Aus dem aktuellen Spielplan müssen wegen der Kündigung nun zwei Stücke gestrichen werden. Mecklenburg-Vorpommerns Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) hofft jedoch auf eine schnelle Lösung der Situation: „Ich bin mir sicher, dass die Verantwortlichen der Stadt mit dem Theater schnellstmöglich Gespräche führen, um alles dafür zu tun, damit das Haus seine Arbeit fortsetzen kann.“

Weitaus dramatischer sieht das die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. „Es gibt keinen Generalmusikdirektor, keinen Operndirektor, keinen Schauspieldirektor und keine künstlerische Leitung mehr“, sagte Jörg Löwer, Präsident der Genossenschaft. Und auch Latchinian selbst findet markige Worte. „Es haben nicht wenige gesagt, dass der heutige Tag ein neues, zweites Lichtenhagen ist“, sagte er Deutschlandradio Kultur mit Blick auf seine Kündigung. Seit der Randale im Jahr 1992 gegen ein von Ausländern bewohntes Haus steht der Rostocker Stadtteil Lichtenhagen als Synonym für Ausländerfeindlichkeit. Demokratie müsse jeden Tag neu errungen und Kultur verteidigt werden, fuhr Latchinian fort. Die Bürger seien gefragt, ob sie ihre Bürgerschaft nun korrigieren wollten. Tsp (mit dpa)

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