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Breaking the Waves

© David Baltzer

Theater: Soldaten der Selbstverleugnung

Im Reigen der Kinofilme, die auf Theaterbühnen nachgespielt werden, hat sich nun auch „Breaking the Waves“ eingereiht. Leider nicht zum Vorteil. Das Maxim-Gorki-Theater verzwergt den Film.

Wird denn jetzt jeder Kultfilm auf die Bühne gebracht? „Das Fest“ läuft schon seit Jahren in zahlreichen Theatern, nun bringt das Maxim Gorki, bevor es in wenigen Wochen „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ zeigt, auch den Film heraus, mit dem Lars von Trier vor über einem Jahrzehnt der Durchbruch gelang: „Breaking the Waves“. Die rührende Geschichte von der jungen, gläubigen Bess, die in einem tief religiösen schottischen Dorf aus Liebe zu ihrem Mann Jan zur Prostituierten wird und am Ende ihr Leben für ihn gibt.

Der Film machte Emily Watson berühmt und schöpft seine Kraft nicht nur aus der Spannung zwischen dem strengen Dorfkollektiv und der psychisch labilen, opferbereiten Frau, sondern auch aus der Schroffheit der Landschaft, dem untröstlichen Wüten der Elemente. Schäumendes Meer, glitschige Felsen, Kirchtürme ohne Glocken, ein unerbittlich pfeifender Wind. Alles war zu groß, zu nah, zu beeindruckend. Man kam so geplättet und völlig aufgewühlt aus dem Kino, dass man gar nicht wusste, was stimmig und was lediglich aufgedonnertes Blendwerk war. Wie nun passt so ein Riesendrama in das winzige Gorki-Studio?

Indem man es klein macht und alle Dramatik nach innen stülpt. Das ist logisch. Die Playmobil-Variante des Dänen Christian Lollike, im Hauptberuf Autor, verzwergt die Geschichte aber so lange, bis ihre Wucht verdampft ist und nur noch die beamtenhaft abgehakten Handlungsstationen übrig bleiben.

Sechs Schauspieler tragen schwarz, kein Ausdruck der Trauer, sondern die Uniform der Freudlosigkeit, die in dieser Gesellschaft seit Jahrhunderten herrscht. Am Anfang versammeln sich alle zum Familienfoto und schauen entschlossen asketisch in eine fiktive Kamera – und das ist auch schon die Geschichte. Hier werden die Gefühle so lange in die Eingeweide zurückgepresst, bis die Gesichter grün anlaufen (beeindruckend wächsern geschminkt: Tim Hofmann als Pfarrer); hier herrscht absoluter Stillstand.

Wenn man sich bewegt, dann mit eckigen ungelenken Bewegungen wie ein Soldat der Selbstverleugnung. Ein verdruckstes Standbild reiht sich also ans nächste (wobei die Schauspieler regelmäßig nicht wissen, wer wo hingehört), damit Bess als Reh des reinen Herzens um so impulsiver aus dem Rahmen der Strenge hüpfen kann. Keine leichte Sache: Emily Watson überzeugte, weil sie Kindlichkeit mit würdevoller Stärke verband, Hanna Eichel nimmt der Rolle etwas von ihrem Gewicht, indem sie einen Hauch Ironie in die Hingabe mischt. Sie schreit, rennt, flüstert in glühendem Glauben und gibt schließlich die verzweifelte Verführerin, pseudosexy mit den Hüften kreisend. Es ist zu keiner Sekunde peinlich. Es geht einen aber auch nichts an.

Nur einmal rückt der Abend einem auf den Pelz. Nicolas Rosat als Bess’ Ehemann Jan wird nach seinem Unfall auf eine Trage geschnallt und an ein unter der Decke gespanntes Drahtseil gehängt. Da baumelt er, im Ganzkörperverband, unbeweglich, schutzlos ausgeliefert den Blicken der Zuschauer und der Titanenliebe seiner kleinen Frau.

Wieder am 11. und 27. 10 sowie am 2.11.

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