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Kultur: Theater: Unendliche Leiden

Eine Garage, vollgestopft mit Bierkästen und Musikinstrumenten, ausrangierten Rechnern und Tonbandgeräten, Schutzhelmen, Hammer, Säge und Axt. Aus dem Off ein die Nerven traktierendes Dröhnen und Tröpfeln.

Eine Garage, vollgestopft mit Bierkästen und Musikinstrumenten, ausrangierten Rechnern und Tonbandgeräten, Schutzhelmen, Hammer, Säge und Axt. Aus dem Off ein die Nerven traktierendes Dröhnen und Tröpfeln. Hier tüfteln nicht nur ein paar Computer-Kids an revolutionärer Software. Hier, das spüren wir sofort, werden auch blutige Rituale zelebriert und Leichen zerstückelt. "La Escala Humana" nennen Javier Daulte, Rafael Spregelburd und Alejandro Tantanian ihre bitterböse Bühnengroteske, bei der ihren überdreht agierenden Garagen-Bewohnern vor allem eines abhanden kommt: "Das menschliche Maß". Das Stück, mit dem die drei jungen Argentinier, die selbst auch Regie führen, jetzt im Hebbel-Theater gastieren (noch einmal heute, 20 Uhr), hat erkennbar bei Ravenhill, Kane und Co. gewildert, verzichtet aber darauf, den Zuschauer mit drastischen Blutorgien zu schocken. Das willkürliche Morden, das Zerstückeln und Verbuddeln der Leichen findet (fast) immer außerhalb der Bühne statt. Nur einmal wird eine Leiche im Plastiksack durchs Schummerlicht getragen, ein anderes Mal präsentiert die Mutter ihren angewiderten Kindern einen blutigen Armstumpf zur Begutachtung. Denn es ist die Mutter (Maria Onetto), die das Morden einfach nicht lassen kann. Warum niemand die messerschwingende Frau stoppt und bei der Polizei anzeigt? Vielleicht weil kein Zeuge glauben mag, was er gesehen hat. Was Mutter Mini und ihre Kinder Silvi, Leandro und Nene in der Mördergrube machen, hat zwar Tempo, tritt aber doch inszenatorisch auf der Stelle. Die deutsche Übertitelung hechelt dem absurden Treiben hilflos hinterher und banalisiert all das, was schauspielerisch vergeblich nach symbolischer Tiefe ringt.

Frank Dietschreit

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