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Kultur: Theaterkollegen äußern sich zu seinem Selbstmord

Ich glaube nicht an einen Selbstmord, sondern eher an einen Herzanfall beim Strandspaziergang. Aus heiterem Himmel kam das natürlich nicht, weil er sehr schwer krank war.

Ich glaube nicht an einen Selbstmord, sondern eher an einen Herzanfall beim Strandspaziergang. Aus heiterem Himmel kam das natürlich nicht, weil er sehr schwer krank war. Er überstand seine Arbeit mit großer Disziplin, aber nach einer großen Anstrengung, wie es die letzte "Hamlet"-Aufführungsserie gewesen ist, macht das Herz eben manchmal einfach schlapp. Wildgruber hat unglaublich viel gearbeitet, aber irgendwann muss man auch auf den Körper achten. Das wollte er nicht. Er war überschäumend in seiner Lebensart.

Es gab Momente, da hatte er eine große Einsamkeit. Ich liebte besonders seine leisen Töne mit all ihrer Poesie - wenn er zum Beispiel als Othello zu seiner schlafenden Desdemona sagte "Lösch aus, das Licht, lösch aus das Licht". Das werde ich nie vergessen. Eva Mattes, Schauspielerin

Sein Tod ist in der Theaterwelt wie ein schwerer Blitz eingeschlagen. Wildgruber war ein außergewöhnlicher, ungewöhnlicher und merkwürdiger Spieler. Er schien von einem ganz anderen Planeten auf die deutsche Theaterszene gekommen zu sein. Claus Peymann, Direktor Berliner Ensemble

Kein einfacher, druckreifer Satz ist auf Wildgrubers Tod zu sagen, und kein einfacher Satz passt, um ihn zu charakterisieren. Die 70er Jahre waren eine Zeit, in der man sich von der Rolle des verbürgerlichten Schauspielers lösen musste. Und da kam er antiheldisch daher. Wer ihm gefolgt ist, hat sich auf eine abenteuerliche Reise begeben. Wildgruber ist auch außerhalb der Bühne ein Getriebener, Rastloser und Gesuchter, aber auch ein Bedrohter gewesen. Frank Baumbauer, Intendant Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Vor zwei Wochen habe ich ihn gesehen. Er stand am Savignyplatz, zusammen mit einer Frau. Er hatte sich seitlich abgewendet, schaute auf den Boden, die Hände in seinem Mantel. Er schwieg. Ich traute mich nicht, "Guten Tag" zu sagen. Als ich auf der anderen Straßenseite stand, drehte ich mich um, und er stand immer noch so da. Ich ging weiter und kam an einem Restaurant vorbei, wo ich ihn einmal sitzen sah. Es war Sommer, er trank Wein, und ich war voller Bewunderung, denn ich hatte ihn kurz zuvor auf der Bühne zum ersten Mal gesehen, in der "Lulu" von Wedekind als Dr. Schön, was ich so unglaublich großartig fand, dass wir, meine Mitschüler und ich, noch im Foyer in Hamburg die Arme wie Wildgruber in die Lüfte warfen, uns beiläufig so wie er über das Haar strichen, irgendwas mal laut, mal leise deklamierten und dabei den Kopf immer wie er nach rechts, nach links schwenkten, bis wir die Hände so wie er mit dem Schlusssatz in Höhe des Bauchnabels zusammengefaltet zum Stillstand brachten - ein leuchtendes Lächeln hinterher schickten. Seitdem liebte ich diesen Schauspieler, denn er war es, der die Schauspielkunst zum Tanzen brachte. Ja, der schwergewichtige Wildgruber! Ich fand ihn immer wie einen Berg mit weißem Haar, der plötzlich wegschweben kann, oder wie einen großen Bären, der die Dichter tanzend und fliegend in den Himmel mitnimmt und dabei zärtlich auffrisst. "Wünsche, wir sehen uns bald, wenn meine Sternchen wieder etwas freundlicher flimmern", schrieb er im Oktober in einem Brief, den er zusammen mit Karten für "Hamlet" an die Pforte legte. Ich habe ihm ganz viel zu verdanken und hätte es ihm am Savignyplatz sagen sollen. Moritz Rinke, Dramatiker

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